Unlauterer Wettbewerb: Auch Züge haben ein Hausrecht

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit Krapfen animierte die Westbahn Leute, in Werbekleidung durch ÖBB-Züge zu gehen. Das sei illegal, befindet der Oberste Gerichtshof.

Wien. Ist ein Zug ein Zuhause? Ja, zumindest dann, wenn es um den unlauteren Wettbewerb geht. Das zeigt ein Urteil des Höchstgerichts rund um einen Streit zwischen den Eisenbahn-Rivalen ÖBB und Westbahn.

Begonnen hatte der Streit mit einer als „Feier der Westbahn“ titulierten Veranstaltung im November 2011. Ein Mitarbeiter des Unternehmens warb im Internet damit, dass die ersten hundert Gäste auf der Feier eine Belohnung erhalten würden. Am Treffpunkt erhielten die Partygäste Werbekleidung, die sie ähnlich wie eine Startnummer überzuziehen hatten. Dafür wurde ihnen die neue Westbahnflotte gezeigt, und es gab Krapfen und Salzgebäck. Als Schlusspunkt der illustren Feier wurden die Partygäste zum Bahnsteig gebracht, um dort einen ankommenden Zug der Westbahn zu begrüßen. Da der Zug aber noch nicht da war, bestiegen mehrere Teilnehmer einen ÖBB-Zug, der zur Abfahrt bereitgestellt war. Sie gingen in voller Werbetracht durch den Zug und stiegen wieder aus, sprachen aber keine Gäste an.

Am Tag darauf fand ein ÖBB-Mitarbeiter 40 Werbefolder der Westbahn auf Sitzen eines ÖBB-Zuges. Und zwei Wochen später sollten erneut angeworbene Personen in Westbahn-Look durch einen ÖBB-Zug gehen, samt Werbe-T-Shirt „Besseres Service im Zug“. Das sei „Guerillamarketing“, zürnte die ÖBB. Sie forderte gerichtlich eine einstweilige Verfügung ein, laut der die Westbahn dieses Verhalten zu unterlassen habe. Da nach der Judikatur bereits Werbung direkt vor dem Geschäft eines Mitbewerbers unlauter sei, müsse dies umso mehr für Reklame in Zügen gelten. Die Westbahn wandte ein, dass die Teilnehmer ihrer Informationsveranstaltung „eigenmächtig“ die Idee hatten, durch den ÖBB-Zug zu gehen. Und es würde gegen die „Meinungsäußerungs- und Bekleidungsfreiheit“ verstoßen, wenn ein Promotor ein „harmloses Message-T-Shirt“ ausziehen müsste, um mit einem ÖBB-Zug zu fahren.

Bereits das Handelsgericht Wien entschied in erster Instanz im Sinne der ÖBB: Die Westbahn habe es zu unterlassen, in Zügen der ÖBB Werbemaßnahmen zu setzen oder durch Dritte setzen zu lassen. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte das Urteil: Schon wegen des Hausrechts müsse niemand Werbemaßnahmen eines Mitbewerbers in den eigenen Geschäftsräumlichkeiten – und das seien in diesem Fall nun einmal Züge – dulden.

„Gäste“ wurden beeinflusst

Auch der Oberste Gerichtshof (OGH) schloss sich dieser Ansicht an. Zudem befasste er sich ausführlich mit der Frage, inwieweit ein Unternehmen für das Handeln anderer Personen (hier der „Partygäste“) einstehen muss. Bereits eine lockere Eingliederung der Leute ins Unternehmen reiche aus, meinten die Höchstrichter. Entscheidend sei, ob der Unternehmensinhaber wegen seiner Beziehung zu den Personen die Möglichkeit habe, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern. Und diese Möglichkeit bestehe jedenfalls immer dann, wenn der Unternehmer den handelnden Personen Weisungen erteilen kann.

Im aktuellen Fall, so die Höchstrichter, seien die Gäste offenkundig als Werbeträger für das Unternehmen genutzt worden. Es mache aber keinen Unterschied, ob formelle Verträge mit den Werbeträgern geschlossen wurden oder ob man Leute durch Gegenleistungen dazu bewege, ein bestimmtes Verhalten zu setzen. Dies sei in diesem Fall so gewesen, weil man die Leute verköstigt habe. Da die Personen im engen Zusammenhang mit der Werbeaktion durch die Züge der ÖBB gegangen seien, liege unlauterer Wettbewerb vor (4 Ob 1/13w).

Auf einen Blick

Die ÖBB forderten eine einstweilige Verfügung gegen die Westbahn, weil diese Leute animiere, in Werbekluft durch ÖBB-Züge zu gehen. Die Gerichte gaben der Klage statt: Bereits das Hausrecht sorge dafür, dass man Werbemaßnahmen in den eigenen Geschäftsräumen nicht dulden müsse. In diesem Fall würden Züge die Geschäftsräume darstellen. Zudem habe die Westbahn durch Geschenke Leute dazu veranlasst, im Interesse der Firma zu handeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2013)

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