Kfz-Versicherung: Laie muss Wrackbörsen nicht kennen

KfzVersicherung Laie muss Wrackboersen
KfzVersicherung Laie muss Wrackboersen(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at
  • Drucken

Der OGH stellt erstmals klar: Wer sein durch Fremdverschulden ruiniertes Auto verkauft, braucht nicht von sich aus einen besseren als einen lokalen Abnehmer zu suchen.

Wien. Havarierte Autos werden über internationale Wrackbörsen oft zu wesentlich höheren Preisen angekauft als durch die Autowerkstatt nebenan. Das ist zwar in der Versicherungsbranche – die Zugang zu diesen Börsen hat – bestens bekannt, aber nicht in der Allgemeinheit. Wer sein Auto nach einem Unfall mit Fremdverschulden zum geringeren Preis auf dem lokalen Markt verkauft, verstößt deshalb nicht gegen seine Schadensminderungspflicht gegenüber der gegnerischen Versicherung, obwohl die ja einen höheren Ersatz leisten muss. Das hat nun der Oberste Gerichtshof erstmals klargestellt (2 Ob 18/13f).

Der Audi A4 Kombi – nicht einmal ein Jahr alt, rund 8000 Kilometer auf dem Tacho – einer Steirerin war durch alleiniges Verschulden des Unfallgegners fast zu Schrott gefahren worden. Bis zu diesem Moment hatte der Wiederbeschaffungswert 30.680 Euro betragen, die Reparatur hätte laut Gutachten knapp 20.000 Euro gekostet. Weil Unfallautos auf dem Markt geringere Preise erbringen als unfallfreie, wären weitere 2420 Euro als „merkantile Wertminderung“ anzusetzen gewesen.

Die Frau entschied sich aber gegen eine Reparatur und fragte in der Werkstatt, in der das Auto besichtigt wurde, nach, wie viel sie für das Wrack bekommen würde. Den 8500 bis 9000 Euro entsprechend, die ihr in Aussicht gestellt wurden, verkaufte sie den Audi dann um 8863 Euro ihrem Exmann, einem Spediteur. Der ließ das Auto in der betriebseigenen Werkstatt herrichten.

Höchst unterschiedliche Preise

Als die Frau bei der gegnerischen Versicherung den Schaden nach ihrer eigenen Berechnung – Wert vor dem Unfall minus Verkaufspreis danach – geltend machte, hielt diese ihr entgegen: Das Auto hätte man ohne Weiteres wesentlich teurer verkaufen können, nämlich um knapp 15.000 Euro. Doch wie erklärt sich der Unterschied? Für Autowracks gibt es verschiedene potenzielle Käuferkreise: Kfz-Händler, die sie in ihrer Werkstatt unter Berücksichtigung von Steuern, Investitionen und Gewinnanteil gleichsam „offiziell“ instand setzen einerseits und andererseits private Interessenten, die das billiger organisieren und daher mehr zu zahlen bereit sind. Vor allem aber hat die Öffnung der Ostmärkte die Preise für Havarien massiv in die Höhe getrieben, weil Reparaturen dort wesentlich weniger kosten.

Genau das machen sich die Versicherungen mithilfe von Internet-Wrackbörsen zunutze, auf denen kaputte Audis echte Renner sind. Deshalb wollte die Versicherung der Frau den fiktiven Mehrerlös vorenthalten. Denn die Geschädigte habe das Auto nicht bestmöglich verkauft. Tatsächlich fand auch das Landesgericht Leoben, die Steirerin hätte den Versicherer von ihrer Verkaufsabsicht informieren und diesem die Möglichkeit geben müssen, einen besseren Käufer aufzutreiben.

Die Steirerin wusste freilich von den Internetplattformen ebenso wenig wie davon, dass sie von einem privaten Abnehmer mehr hätte bekommen können. Wie jedoch das Oberlandesgericht Graz mit voller Billigung des OGH entschied, wäre es am Versicherer gelegen, die Frau auf bessere Verwertungsmöglichkeiten hinzuweisen: Er hätte ihr ein entsprechendes Angebot „auf dem Silbertablett“ unterbreiten müssen, so das Gericht unter Berufung auf ein vom Schadenersatzexperten Christian Huber in diesem Zusammenhang geprägtes Bild. Nur wenn der Versicherer von vornherein verlangt hätte, über Verkaufsabsichten informiert zu werden und rasch einen attraktiven Abnehmer zu nominieren, wäre eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin in Betracht gekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.