Wahlwerbung: Ausgabendeckel verfassungswidrig?

Wahlwerbung Ausgabendeckel verfassungswidrig
Wahlwerbung Ausgabendeckel verfassungswidrig(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Die Beschränkung der Ausgaben für Wahlwerbung der Parteien auf jeweils sieben Millionen Euro ist in mehrfacher Hinsicht verfassungsrechtlich problematisch.

Wien. Vor einem guten Jahr wurden die Regeln für die Parteienfinanzierung grundlegend reformiert. Die erste österreichweite Nagelprobe für das neue Parteiengesetz ist am Laufen: Seit einer knappen Woche ist es (politischen und wahlwerbenden) Parteien verboten, unbeschränkt Geld für die Wahlwerbung auszugeben. Die Wahlwerbungsausgaben sind nämlich gesetzlich für jede Partei mit einem Betrag von sieben Millionen Euro gedeckelt. In diesen Betrag sind auch persönliche Ausgaben von Kandidaten einzurechnen, die je Kandidat den Betrag von 15.000 Euro überschreiten. Wer in Summe mehr als sieben Millionen Euro ausgibt, muss mit saftigen Geldbußen rechnen. Der Ausgabendeckel gilt auch für alle künftigen Wahlen zum Nationalrat, dem Europäischen Parlament, den Landtagen und den Gemeinderäten.

Frühere Regelung in Verfassung

Über die inhaltlichen Tücken der neuen Regelung wurde in den vergangenen Tagen viel berichtet (vgl. „Die Presse“ vom 9. Juli 2013). Nach Ansicht des Rechnungshofpräsidenten und namhafter Experten weise sie zahlreiche Schlupflöcher auf. Auch sei ihre Einhaltung kaum kontrollierbar. Das ist richtig. Eine Frage wurde bis jetzt aber offenbar noch nicht gestellt: Ist die Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben überhaupt verfassungsrechtlich zulässig? Diese Frage würde sich nicht stellen, wenn die Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben verfassungsrechtlich abgesichert wäre. Das ist sie aber aktuell nicht. Sie war es einmal, als es Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts eine ähnliche Regel gegeben hat.

Eingriff in Länderkompetenz

Beschränkungen von Wahlwerbungsausgaben betreffen zweifelsohne Parteien. Man könnte also auf den ersten Blick annehmen, dass derartige Regelungen vom Kompetenztatbestand „Parteienrecht“ umfasst sind. In diesem Fall wäre der Bund zur Regelung eines Ausgabendeckels nicht nur für Nationalratswahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament, sondern auch für Landtags- und Gemeinderatswahlen zuständig. So einfach ist es aber nicht: Bei genauerer Betrachtung zeigt sich nämlich, dass Ausgabenbeschränkungen weniger dem Parteienrecht zuzuordnen sind, sondern vielmehr dem Bereich der Wahlverfahren. Im Zuge eines Wahlverfahrens soll nämlich nur ein bestimmter Betrag ausgegeben werden dürfen. Hier liegt das erste Problem: Nach der Bundesverfassung sind die Länder zur Regelung von Landtags- und Gemeinderatswahlen zuständig. Ein (einfachgesetzlicher) Ausgabendeckel bei diesen Wahlen kann daher nur von den Ländern bestimmt werden.

Ungleiches wird gleich behandelt

Die geltende Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben muss auch den Vorgaben des Gleichheitssatzes standhalten. Dieser besagt im Wesentlichen, dass Gleiches nicht ungleich und Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf. Hier liegt das zweite Problem: Sind eine Nationalratswahl und eine Gemeinderatswahl in einer kleinen Landgemeinde wirklich als gleich zu werten? Nur zur Erinnerung: Der Ausgabendeckel von sieben Millionen Euro gilt unterschiedslos für beide Wahlen.

Schließlich haben Gesetze (etwas vereinfacht) sachlich zu sein. Hier liegt das dritte Problem der Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben: Ist es wirklich sachlich gerechtfertigt, dass ein einzelner Kandidat de facto nur 15.000 Euro für seine persönliche Wahlwerbung ausgeben darf, weil höhere Ausgaben der Partei zuzurechnen sind? Diese Bestimmung führt einerseits dazu, dass erfolgreiche Vorzugsstimmenwahlkämpfe, die ausschließlich auf eine Person ausgerichtet sind, kaum möglich sind. Andererseits können Parteien ihre Kandidaten nicht dazu zwingen, weniger als 15.000 Euro auszugeben. Die Parteien müssen aber am Ende für eine Überschreitung der Beschränkung geradestehen.

Im Ergebnis spricht daher viel dafür, dass die Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben durch ein „einfaches“ Bundesgesetz verfassungswidrig sein könnte. Sündige Parteien, die nach Verhängung einer Geldbuße den Verfassungsgerichtshof anrufen, könnten also am Ende durch diesen von den Geldbußen erlöst werden.

Dr. Stephan Lenzhofer ist
Rechtsanwalt in Wien.

Auf einen Blick

Die Beschränkung der Wahlwerbungsausgaben auf sieben Millionen Euro je Partei durch ein einfaches Bundesgesetz begegnet kompetenzrechtlichen Bedenken, weil für Regelungen zu Landtags- und Gemeinderatswahlen die Länder zuständig sind. Außerdem ist die Gleichschaltung der stark unterschiedlichen Wahlen gleichheitsrechtlich problematisch; auch die rigide Grenze von 15.000 Euro für einzelne Kandidaten könnte sachlich nicht gerechtfertigt sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2013)

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