VfGH verlangt mehr Mitsprache für Konzipienten

VfGH entschied unter Vorsitz von Vizepräsidentin Brigitte Bierlein
VfGH entschied unter Vorsitz von Vizepräsidentin Brigitte BierleinFabian Hainzl
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Die Halbierung des Stimmgewichts für Rechtsanwaltsanwärter auch bei Angelegenheiten, die sie unmittelbar betreffen, ist verfassungswidrig.

Rechtsanwaltsanwärter müssen bei Abstimmungen in den Anwaltskammern mehr Mitsprache bekommen. In einem soeben zugestellten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) jene Regelung in der Rechtsanwaltsordnung aufgehoben, mit der das Stimmgewicht der Konzipienten bei allen Abstimmungen halbiert wird. Der Gerichtshof hätte keinen Einwand dagegen, die Mitsprache je nach Abstimmungsgegenstand differenziert zu regeln; weil aber auch so unmittelbar die Rechtsanwaltsanwärter betreffende Regelungen wie die Umlagenordnung – sie dient der standeseigenen Altersversorgung – und die Beitragsordnung von der Halbierung des Stimmgewichts umfasst sind, ist das Prinzip der Gleichheit der Stimmen in unzulässiger Weise verletzt. Die Aufhebung tritt in einem knappen Jahr, am 1. Juli 2014, in Kraft.

Konzipienten erstmals stimmberechtigt

Der Streit um das Stimmrecht hat am Abend des 29. April 2010 im Leopold Museum in Wien begonnen, als die Rechtsanwaltsanwärter erstmals als (halb) stimmberechtigte Mitglieder an der Vollversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien teilnahmen. Die Abstimmungen verliefen zum Teil chaotisch. Als über die Einbindung der Konzipienten in die Alterversorgung abgestimmt wurde, lag auch ein Abänderungsantrag einiger Rechtsanwaltsanwärter vor. Diese wollten erreichen, dass die Beiträge zur Versorgungseinrichtung der Kammer (damals 234 Euro monatlich) jeweils zur Hälfte vom Ausbildungsanwalt und vom Anwaltsanwärter getragen werden.

Nach einer langwierigen Auszählung verkündete Präsident Michael Auer das Ergebnis: Der Antrag, wonach die Berufsanwärter allein zahlen müssten, sei angenommen, der Zusatzantrag der Konzipienten jedoch abgelehnt worden. Der Protest ließ nicht lang auf sich warten: „Rechtsanwaltsanwärter Dr. Sebastian Schumacher meint, dass nach seinem Verständnis PRO abgestimmt wurde“, heißt es im Protokoll der Plenarversammlung.

Beschwerden gegen Beitragsvorschreibung

Derselbe Dr. Schumacher, mittlerweile eingetragener Anwalt, hat dann zusammen mit einem Kollegen den VfGH angerufen, und zwar mittels Beschwerden gegen die Vorschreibung der Beiträge zur Versorgungseinrichtung. Prompt leitete der Gerichtshof anlässlich der Bescheidbeschwerden ein Gesetzesprüfungsverfahren ein, weil auch er bezweifelte, dass die durchgängige Halbierung des Stimmrechts gerechtfertigt war: „Nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes scheint gerade bei den die Rechtsanwaltsanwärter betreffenden Regelungen der Umlagenordnung und der Beitragsordnung eine die Stimmgewichtung der Rechtsanwälte gegenüber jener der Rechtsanwaltsanwärter bevorzugende Regelung sachlich nicht gerechtfertigt zu sein.“

Genau diese Bedenken haben sich im weiteren Verfahren erhärtet. „Die für alle Entscheidungsgegenstände in der Plenarversammlung geltende unterschiedliche Gewichtung der Stimmen von Rechtsanwälten und Rechtsanwaltsanwärtern in § 24 Abs. 3 letzter Satz RAO (Rechtsanwaltsordnung, Anm.) ist somit verfassungswidrig, weil die dem demokratischen Prinzip innewohnende grundsätzliche Gleichheit der Stimme unterschiedslos durchbrochen wird, ohne dass hierfür ein entsprechend sachlicher Grund besteht“ (G 31/2013 und andere).

Differenzierung bleibt möglich

Das bedeutet nicht, dass die fertigen Anwälte fürchten müssten, von den Berufsanwärtern überfahren werden zu können. „Dem Gesetzgeber stehen – soweit es sachlich ist – andere Möglichkeiten offen, unterschiedliche Interessenlagen der einzelnen in der (Rechtsanwalts-)Kammer versammelten Mitglieder zu berücksichtigen (beispielsweise durch ein Vetorecht)“, schreibt der Gerichtshof in seinem Erkenntnis.

Mit der Aufhebung der noch immer gültigen Passage in der RAO per Ende Juni 2014 stellt VfGH auch fest, dass zwei auf ihrer Grundlage erlassene Reglungen in der Beitragsordnung und der Umlagenordnung verfassungswidrig waren. Für die beiden erfolgreichen Beschwerdeführer bedeutet das, dass sie die auf Basis der angefochtenen Bescheide geleisteten Beiträge zurückerstattet bekommen müssen; alle anderen Bescheide von damals sind hingegen rechtskräftig geworden. Auch das geteilte Stimmrecht ist bis nächsten Sommer unangreifbar.

Zum VfGH-Erkenntnis im Wortlaut

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