Gericht gegen Gesetzgeber: Bekommen Beamte zu wenig?

(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
  • Drucken

Diskriminierung. Die Berücksichtigung von Schul- und Berufszeiten unter 18 könnte EU-widrig „repariert“ worden sein, mutmaßt der VwGH.

Wien. Unzählige Beamte und Mitarbeiter staatsnaher oder ehemals staatlicher Unternehmen wie ÖBB oder Telekom Austria könnten bei ihrer Besoldung diskriminiert sein. Das vermutet der Verwaltungsgerichtshof (VwGH), der deshalb in mehreren Fällen den Gerichtshof der EU (EuGH) eingeschaltet hat. Es geht um eine möglicherweise EU-widrige Benachteiligung aufgrund des Alters, und zwar nicht am Ende der Berufslaufbahn, sondern an deren Beginn: bei der Berücksichtigung von Schul- oder Berufszeiten, die vor dem 18. Geburtstag durchlaufen wurden.

Schon 2009 hatte der EuGH (Fall Hütter, C-88/8) festgestellt, dass Vertragsbedienstete mit solchen Vordienstzeiten diskriminiert waren gegenüber anderen, die in höherem Alter vergleichbare Zeiten erworben hatten. Der Gesetzgeber reagierte mit einer „Reparatur“, deren Wirksamkeit äußerst fraglich war: Er eröffnete die Möglichkeit, auf Antrag auch frühere Zeiten für den Vorrückungsstichtag berücksichtigen zu lassen. Er dehnte aber den für die Vorrückung maßgeblichen Zeitraum von zwei auf fünf Jahre aus, sodass sich die vermeintliche Wohltat vielfach in Luft auflöste. Genau so behandelte der VwGH im Herbst 2012 die Novelle, indem er sie durch das EU-Recht verdrängt sah und einem Beamten davon unbeeindruckt die raschere Vorrückung zubilligte (2012/12/0007).

Darauf reagierte wieder der Gesetzgeber: Trotzig stellte er fest, die Novelle setze das EU-Recht um. Von diesem offenkundig untauglichen Versuch zeigt sich nun der VwGH nicht beeindruckt, eher von den Argumenten, die der Gesetzgeber in den Erläuterungen anführte: von budgetären Gründen war die Rede, von Verwaltungsvereinfachung.

Der VwGH bezweifelt aber nach wie vor, dass damit die anhaltende Benachteiligung früher Vordienstzeiten gerechtfertigt werden kann, und ersucht den EuGH um eine Vorabentscheidung, wer nun Recht hat (2013/12/0076). In diesem Fall geht es um einen Amtsdirektor im Innenministerium, der gerade einmal ein halbes Jahr – seiner Ansicht nach viel zu wenig – früher vorrückt; analoge Fragen stellt der VwGH zur Anrechnung von Ruhegenussvordienstzeiten eines Professors (2012/12/0051) und eines Telekom-Austria-Mitarbeiters (2013/12/0006).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.