Ungenügende 2. Instanz

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Menschenrechtskonvention verlangt weitere Prüfpflichten des Obersten Gerichtshofs.

Bregenz. Die Aufhebungsentscheidung des Obersten Gerichtshofs im Fall Strasser ist nach seiner aktuellen Rechtsprechung einerseits wohl konsequent, wirft andererseits aber prinzipielle Fragen nach der Organisation des schöffengerichtlichen Strafprozesses zweiter Instanz auf. Um es kurz zu machen: Der OGH ist keine menschenrechtskonforme Zweitinstanz, denn Artikel 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK garantiert eine wirksame Rechtskontrollinstanz. Um diesen Anforderungen zu genügen, müsste der OGH viel weiter gehende Prüfpflichten haben, zum Beispiel dazu verpflichtet sein, eine echte Sachverhaltskontrolle durchzuführen.

Bei der Vorinstanz, den Schöffengerichten, wurde der zweite Richter gestrichen, sodass sich ihre Qualität nicht mehr wirklich von Einzelrichterentscheidungen unterscheidet: Ihre unterschiedliche prozessuale Behandlung ist nicht mehr gerechtfertigt. Die Generalprokuratur ist nach ständiger Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Strafverfolgungsbehörde, sie ist innerstaatlich aber nach der Strafprozessordnung nicht so organisiert, womit ihre Verbindungen zur erstinstanzlichen Staatsanwaltschaft unterentwickelt sind.

Europäischer Standard im Strafverfahren sind zwei Tatsacheninstanzen und eine Drittinstanz für grundsätzliche Rechtsfragen. Diese Organisation wäre für den Strafprozess zu fordern – die Oberlandesgerichte als generelle Zweitinstanz, der OGH mit Grundsatzrevision anrufbar. Ein wenig hat der OGH diese Struktur schon mit seiner Weiterentwicklung der Grundrechtsbeschwerde und des Erneuerungsverfahrens vorweggenommen, mit dem er zweitinstanzliche Entscheidungen von Untergerichten prüft, wenn auch noch bei Weitem nicht mit befriedigender Kontrolldichte.


Dr. Wilfried Ludwig Weh ist Rechtsanwalt in Bregenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2013)

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