Keine Lenkerauskunft gegeben: Noch kein Grund für Strafe

(c) FABRY Clemens
  • Drucken

Tempoüberschreitung. Ein Mann sagte nicht, wer zum fraglichen Zeitpunkt sein Auto gelenkt hatte. Das allein reiche nicht, um eine Geldbuße zu verhängen, meint der VfGH.

Wien. Eine aktuelle Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zeigt, dass Verkehrsstrafen nicht zu leichtfertig verhängt werden dürfen. Konkret hatte sich ein Mann gegen eine Geldstrafe gewehrt, die von der Bezirkshauptmannschaft Liezen verhängt worden war. Grund: Mit seinem Wagen sei die erlaubte Geschwindigkeit überschritten worden, und er habe eine Lenkeranfrage nicht beantwortet.

Auch die Berufung gegen die Strafe wurde abgewiesen – diesfalls vom Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) Steiermark. Der Mann erklärte zwar auf Anfrage des UVS schriftlich, er sei nicht der Lenker gewesen, weil er zum Tatzeitpunkt auf seiner Segeljacht in Italien weilte. Er habe aber keine Belege über den Urlaub aufbewahrt. Jedoch könne man bei der Marina nachfragen – möglicherweise erinnere sich der Portier oder jemand an der Rezeption noch an seinen Aufenthalt. Der UVS schloss aus diesen Angaben, dass der Mann die Lenkeranfrage unbeantwortet lassen will. Und bestätigte die Strafe.
Der Lenker ging zum Verfassungsgerichtshof – und dieser hob den Strafbescheid auf. Der Mann sei nämlich in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention) verletzt worden. Der UVS habe einen Schuldspruch gefällt, ohne zuvor eine mündliche Verhandlung abgehalten zu haben – obwohl das in diesem Fall nötig gewesen wäre. Denn der Mann hatte in seiner Berufung an den UVS geschrieben: „Das Einzige, was vorliegt und bewiesen ist, ist, dass eine Geschwindigkeitsübertretung vorliegt, aber nicht, wer sie begangen hat. Das ist eine Sache, die geklärt werden muss, und wenn es auf dem Weg der Lenkerauskunft nicht möglich ist, sollte man wohl eine mündliche Verhandlung anberaumen und nicht gleich die Beweislast von der Anklage auf die Verteidigung verlegen.“

Der VfGH hielt fest: Nur weil der Mann die Lenkeranfrage nicht beantwortet hatte, dürfe die Behörde noch nicht davon ausgehen, dass dieser auch jener Lenker war, der die Geschwindigkeitsübertretung begangen hatte. Und auch wenn der UVS dem Mann die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme gewährt hatte, könne das eine mündliche Verhandlung nicht ersetzen. Denn bei dieser hätte man sich „einen direkten Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers machen können“, betonten die Höchstrichter (B 954/2013).

Noch nicht aus dem Schneider

Der Strafbescheid wurde aufgehoben. Verkehrsministerium und Land Steiermark müssen dem Mann Prozesskosten in Höhe von rund 1350 Euro ersetzen. „Die VfGH-Entscheidung ist insofern neu, als auf die EMRK bisher nicht Bezug genommen wurde“, meint Martin Hoffer, Leiter der ÖAMTC-Rechtsdienste, gegenüber der „Presse“. Man könne aber aus der Entscheidung nicht schließen, dass der Mann straflos bleibt. Um dies zu klären, muss der UVS die mündliche Verhandlung nachholen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.