Terroropfer kämpft um Entschädigung: Teilsieg

Stanislav Jenis
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Ein 1985 beim Anschlag in Wien-Schwechat verletzter Polizist will Psychotherapiekosten ersetzt haben. Der Staat ließ ihn vorschnell abblitzen, sagt der VwGH.

Wien. Tack, tack, tack: Das Geräusch einer vor ihrer Detonation mehrmals auf dem harten Boden aufschlagenden Handgranate geht Knut Pewal nicht aus dem Kopf. Das Niederprasseln von Glassplittern. Und dann der Tod einer Frau, mit der er soeben noch geplaudert hat, durch einen Kopfschuss.

Pewal war als Kriminalpolizist in Zivil dabei, als am 27. Dezember 1985 drei palästinensische Terroristen auf dem Flughafen Wien-Schwechat ein Blutbad anrichteten: Mit Handgranaten und Maschinenpistolen griffen sie Passagiere an, die ahnungslos auf den Check-in der israelischen Fluglinie El Al warteten. Drei Menschen starben, 39 wurden verletzt. Auch Knut Pewal, durch 15 Granatsplitter und zwei Einschüsse in den Beinen.

Der Anschlag ging auf das Konto Abu Nidals, der wegen Bruno Kreiskys Arafat-freundlicher Nahostpolitik einen innerpalästinensischen Konflikt auch nach Österreich getragen hatte. 28 Jahre danach kämpft Knut Pewal (56), mittlerweile Polizeioberst in Ruhestand und als Ein-Mann-Sicherheitsunternehmen tätig, um eine Entschädigung. Er will, dass die Republik ihn für Kosten der Psychotherapie entschädigt, die er Jahrzehnte nach dem Vorfall in Anspruch genommen hat. Die Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Sozialministerium, eine jener rund 120 Behörden, die mit Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu Jahresbeginn aufgelöst wurden, lehnte ab: Der damalige Vorfall sei für die späteren Leiden nicht kausal gewesen, hätte diese also nicht verursacht, entschied die Kommission.

Nach Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), den Pewal gegen den abschlägigen Bescheid anrief (vertreten durch König Rechtsanwälte), machte es sich die Behörde aber zu einfach. Denn sie hat sich nicht ausreichend mit den Gegenargumenten auseinandergesetzt. „Die Verneinung der Kausalität des Terroranschlages für die Erkrankung des Beschwerdeführers erweist sich demnach als mit wesentlichen Begründungsmängeln behaftet“ (2011/11/0217).

Die in erster und zweiter Instanz eingeholten neurologischen, psychologischen und psychiatrischen Gutachten hatten verschiedene Leiden festgestellt, aber in einem Punkt übereingestimmt: Die im Verbrechensopfergesetz geforderte Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankungen auf den Überfall anno 1985 zurückzuführen wären, sei nicht gegeben. Dagegen spreche auch, dass der seinerzeit Verletzte danach viele Jahre seinen Dienst versehen und eine Offiziersausbildung absolvieren habe können. Außerdem könne angenommen werden, dass – mehr schlecht als recht dokumentierte – familiäre Probleme „zu einer depressiven Symptomatik geführt“ hätten.

Bis heute Flashback-Erlebnisse

Ganz anders las sich das Gutachten, das Pewal selbst bei einem habilitierten Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapie und Psychoanalyse einholte: Seiner Meinung nach hat der Vorfall vom 27.Dezember 1985 ein körperliches wie auch psychisches Trauma ausgelöst; bis heute träten „Flashback“-Erlebnisse wie das eingangs geschilderte auf. Diagnose: Posttraumatisches Belastungssyndrom, dazu noch eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung und daraus folgend eine depressive wiederkehrende Erkrankung. All das sei, so Pewals Gutachter, kausal auf das Unfallgeschehen auf dem Flughafen zurückzuführen. Dass Pewal sich nicht früher habe behandeln lassen, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden: Vor 25 Jahren habe es nicht dem Zeitgeist entsprochen, sich therapieren zu lassen.

Die Berufungskommission ließ sich davon nicht beeindrucken: Weder ging sie (und ein Ergänzungsgutachten) auf die behaupteten Flashbacks ein noch auch nur darauf, ob sie diese für gegeben hält oder nicht (und warum nicht). Auch ließ sie nicht „mit einer auf medizinischen Sachverstand gestützten Begründung“ erkennen, warum der verzögerte Ausbruch der depressiven Erkrankung dagegen sprechen soll, dass diese auf den Terroranschlag zurückgeht.

Laut Pewal, der vor dem Landesgericht Korneuburg auch um die Zuerkennung einer Invaliditätspension kämpft, geht es um Therapiekosten in Höhe von rund 3500Euro. Wenn die Republik ihm diese nicht zahlen will, dann wird sich das nunmehr zuständige Bundesverwaltungsgericht eine bessere Begründung einfallen lassen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2014)

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