Wettskandal: "Zu viel Strafrecht ist nicht gut"

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Praktiker und Experten warnen vor übertriebenen Hoffnungen, Wettskandalen könne mit neuen Strafbestimmungen gegen Sportbetrug vorgebeugt werden. Ein Verbot, Spieler zu bestechen, zeichnet sich aber ab.

Wien. „Ich hoffe nicht.“ So reagierte Alexander Tipold, Professor für Strafrecht an der Uni Wien, auf die Frage, ob Wettbetrug im Sport zunehmend ein Thema für sein Fach werde. „Zu viel Strafrecht ist nicht gut“, sagte Tipold vorige Woche beim „Rechtspanorama am Juridicum“.

Im November hatte der Fußballer Dominique Taboga vom SV Grödig einen Wettskandal ungeahnten Ausmaßes auffliegen lassen. Er bezeichnete sich als Opfer einer Erpressung und wurde am Ende unter dem Verdacht, Spiele manipuliert zu haben, in U-Haft genommen. Mittlerweile bestätigen Ermittler Hinweise, dass bis zu 19 österreichische Spiele manipuliert worden sein könnten. Und es wird weiterermittelt, sagte Andreas Holzer, der im Bundeskriminalamt die Untersuchungen im Wettskandal leitet. Unter Verdacht stehen 30 Spieler.

Warum nicht mehr Strafrecht? Die Abschreckungswirkung eines eigenen Tatbestands Wettbetrug werde nicht größer sein als allgemein beim Betrug, auf den ohnehin bis zu zehn Jahre Haft stehen. Kaum ein Fußballer werde sich durch spezielle Strafdrohungen abschrecken lassen, warnt Tipold. Außerdem diene das Strafrecht oft nur als „Steigbügelhalter“, um überhaupt ermitteln zu können – etwa, damit der Verein arbeitsrechtliche Sanktionen gegen den betreffenden Spieler verhängen kann. Diese können bis zu einem lebenslangen Arbeitsverbot reichen.

Auch Holzer warnt davor, im Strafrecht „herumzupfuschen“. Die Ermittlungen führen in aller Regel ins Ausland: Auch in den aktuellen Fällen wurde bei Wettanbietern in Asien gesetzt, in Albanien wurde Bargeld im Koffer übergeben. Die Strafbarkeit manipulierender Spieler hängt davon ab, ob ein Betrug am Wettanbieter durch einen Wettenden nachgewiesen werden kann; der Spieler ist dann Beitragstäter. Nun ist die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden über die Grenzen hinweg ohnehin schwierig; werden im Alleingang Strafgesetze erlassen, die es in anderen Ländern nicht gibt, erschwert das die Kooperation der Behörden zusätzlich.

Auf europäischer Ebene zeichnet sich allerdings bereits eine Änderung ab: Der Europarat plant ein Übereinkommen mit dem Ziel, die Bestechlichkeit von Spielern – sie ist bisher nicht strafbar – unter Sanktion zu stellen. Das vereinfacht die Verfolgung des Spielers, und anders als beim Betrug muss kein Schaden nachgewiesen werden. Der Online-Wettanbieter bwin.party sieht sich übrigens, wie Direktorin Karin Klein sagte, im Vermögen nicht geschädigt, weil der Online-Bereich vom Wettskandal nicht betroffen gewesen sei. Sehr wohl habe aber die Reputation des Sportwettengeschäfts insgesamt gelitten.

Den Spielern drohen zuallererst arbeitsrechtliche Konsequenzen. „Wenn ein Spieler an einer Manipulation beteiligt ist, zum Beispiel absichtlich durch ein Hands im Strafraum einen Elfmeter herbeiführt, und die andere Mannschaft gewinnt, handelt er den Interessen seines Dienstgebers zuwider“, sagte Arbeitsrechtsprofessor Walter Schrammel. „Das ist Untreue im Dienst, der Spieler kann entlassen werden.“ Auch Spieler, die von Manipulationen wissen, ihrem Verein aber nichts sagen, könnten wegen Dienstpflichtverletzung entlassen werden. Das Problem für den Verein: Eine Entlassung ist nur sofort möglich; sind aber viele Spieler betroffen, ist die Mannschaft plötzlich nicht mehr einsatzfähig. Schrammel: „Im Fußball gibt es keinen Arbeitskräfteüberlasser, zu dem man sagen kann: ,Ich brauche drei Verteidiger bis Ende der Saison.‘“ Der SV Grödig hat sich bei einem Spiel damit beholfen, dass er den Platzwart ersatzweise eingesetzt hat.

Günter Kaltenbrunner, Präsident des Vereins „Play Fair Code“, setzt auf Prävention: „Wir können den Spielern nicht sagen, wie sie ihr Geld anlegen sollen, um sich finanziell abzusichern. Aber wir können sie über die globale Situation informieren, mit Beispielen von Spielern, die erwischt worden sind, und mit Strafen, die schlimmstenfalls zu erwarten sind, konfrontieren.“ Aufklärung wirkt: Taboga soll nach einer Präsentation des Vereins an die Öffentlichkeit gegangen sein.

DER NÄCHSTE TERMIN

Weisungsrecht. Die nächste Diskussion der Reihe „Rechtspanorama am Juridicum“ widmet sich dem Thema Weisungsrecht des Justizministers gegenüber den Staatsanwälten. Soll es (modifiziert) beibehalten werden, soll es auf eine andere Person/Institution übertragen werden? Darüber diskutieren am 10. März VfGH-Vizepräsidentin Brigitte Bierlein, Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs, Staatsanwälte-Präsident Gerhard Jarosch, Sektionschef Christian Pilnacek vom Justizministerium, Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2014)

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