Installateurskartell? 200-Mio.-Vergabe Wiens war eine "Bagatelle"

(c) Clemens Fabry
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OGH-Beschlüsse. Kalt-warm für Kartellverdächtige: Großauftrag von Wiener Wohnen bleibt ungeprüft, Arbeit der Behörde im NÖM-Fall vereinfacht.

Wien. Eine Auftragsvergabe von Wiener Wohnen im stattlichen Wert von knapp 200 Millionen Euro für drei Jahre bleibt kartellrechtlich ungeprüft, obwohl ein massiver Verdacht von Absprachen unter den erfolgreichen Bietern bestand. Das hat der Oberste Gerichtshof nun gegen die Anträge von Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und Bundeskartellanwalt entschieden.

Gegenstand der Ausschreibung im Jahr 2007 waren Gas-, Wasser- und Heizungsinstallationsarbeiten für Wiener Wohnen, Bewirtschafter der Wohnhausanlagen der Stadt. Diese wurde in 48 Gebietseinheiten unterteilt. Wie durch ein Wunder erhielten für 45 davon die jeweils eigens gegründeten Arbeitsgemeinschaften den Zuschlag; 25 Arbeitsgemeinschaften traten sogar als alleinige Bieter auf. Nur in drei Gebietseinheiten waren Einzelbieter erfolgreich, und nur drei Unternehmen sollen Angebote gemacht haben, ohne zum Zug zu kommen.

Angesichts des offenbar beschränkten Wettbewerbs beantragte die BWB Geldbußen gegen die beteiligten Unternehmen: Sie hätten verbotene Absprachen getroffen, wodurch sie eine „Verhinderung, Einschränkung und Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt und auch tatsächlich bewirkt“ hätten. Ziel: überhöhte Preise.

Obwohl das Gesamtvolumen 198 Mio. Euro betrug, blieb die Ausschreibung unter der Bagatellgrenze: Diese nahm Kartelle vom Verbot aus, deren Teilnehmer gemeinsam bestimmte Marktanteile nicht überschritten. Strittig war bloß, wie der relevante Markt abzugrenzen war: ob die Vergleichsgruppe die vielen Installateure waren, die innerhalb einer Autostunde im Zentrum Wiens sein konnten, oder bloß die wenigen, die sich konkret für die Ausschreibung interessierten. Bei Variante zwei wäre die Bagatellgrenze rasch überschritten gewesen, bei Variante eins längst nicht.

Hardcore heute stets verboten

Entgegen der Ansicht von BWB und Bundeskartellanwalt, die sich für die strengere Rechnung aussprachen, bestätigte der OGH den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien, wonach die mutmaßlichen Absprachen unterhalb der Bagatellgrenze gelegen seien (16 Ok 6/12). Es gibt also keine Geldbuße. Würden sich derlei Absprachen heute zutragen, wären sie anders zu beurteilen: Seit März 2013 sind „Hardcore-Kartelle“ auch unterhalb der Bagatellgrenze verboten: etwa Preisabsprachen oder die Aufteilung von Märkten nach Gebieten.

Ein zweiter aktueller OGH-Beschluss betraf kartellrechtliche Untersuchungen gegen die niederösterreichische Molkerei NÖM (16 Ok 5/13). Bei einer Hausdurchsuchung wegen des Verdachts von (vertikalen) Preisabsprachen mit Lebensmitteleinzelhändlern und (horizontalen) Preisabstimmungen im Einzelhandel stießen Ermittler der BWB auch auf Unterlagen, die auf Absprachen der NÖM mit dem Lebensmittelgroßhandel hindeuteten: ein sogenannter Zufallsfund.

Zufallsfund bei Razzia

Fraglich war, ob die BWB dafür gleich im laufenden Verfahren beim Kartellgericht eine Erweiterung des Hausdurchsuchungsbefehls beantragen konnte. Die NÖM wandte ein, dass dann nach Art eines Dominosystems aus ständig neuen Gründen eine unlimitierte Eintrittskarte zur heiklen Einschau in Räumlichkeiten und Unterlagen entstünde. Laut OGH ist es aber Sache der Behörde zu entscheiden, ob sie die Erweiterung eines bestehenden Hausdurchsuchungsbefehls oder aber die Einleitung eines neuen Verfahrens beantragt (ohne richterliche Genehmigung geht aber nichts). Die Arbeit der Behörde wird damit etwas vereinfacht.

Schließlich entschied der OGH nochmals über das Speditionskartell. Zuvor hatte der EuGH erkannt, dass die Speditionen mit der 1994 gebildeten Spediteurs-Sammelladungskonferenz weder auf eine gerichtliche Genehmigung noch auf den Rechtsrat einer Anwaltskanzlei vertrauen durften. Nun muss das Kartellgericht angemessene Bußen bestimmen (16 Ok 4/13).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2014)

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