OGH-Chef blitzt ab mit Anzeige gegen Kollegen

(c) Clemens Fabry
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Disziplinargericht lehnt Überprüfung einer von Präsident Ratz kritisierten Entscheidungsfindung ab.

Wien. Es bestehe „keinerlei Hinweis auf eine vorsätzliche Fehlinterpretation“. So reagierte der Disziplinarsenat des Obersten Gerichtshofs auf eine äußerst delikate Anzeige: Eckart Ratz (Bild), Präsident des Gerichtshofs, hatte sie gegen Kollegen im eigenen Haus eingebracht. Ratz hatte einem Senat vorgeworfen, das Vorbringen von Angeklagten in einem Verfahren bewusst missachtet und eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofs unterlassen zu haben. In einer in der Vorwoche veröffentlichten Entscheidung lehnte der Disziplinarsenat die Einleitung einer Disziplinaruntersuchung ab (Ds 24/13).

Hintergrund der OGH-internen Auseinandersetzung ist die Frage der Verfassungskonformität einer Bestimmung der Strafprozessordnung. Nach §126/4StPO dürfen Sachverständige, die im Vorverfahren von der Staatsanwaltschaft eingesetzt werden, auch in der Hauptverhandlung als Stütze des Gerichts herangezogen werden. Da der Angeklagte dem nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hat, hält Ratz die Regelung für unvereinbar mit dem Gebot des fairen Verfahrens; auch die OGH-Vollversammlung hat schon zweimal auf das „Spannungsverhältnis“ zur Menschenrechtskonvention hingewiesen.

Trotzdem ließ der 13. Senat (in einem Verfahren gegen Ex-Hypo-Chef Kulterer) eine Gelegenheit ungenutzt, den VfGH mit der Prüfung zu befassen. Ratz kritisierte dann intern die für ihn widersprüchliche Haltung der Strafrichter, was diese als Versuch einer Einmischung in die unabhängige Rechtsprechung zurückwiesen. Ein entsprechendes Schreiben legte Ratz gleichsam als Selbstanzeige dem Disziplinargericht zur Prüfung vor (ein Ergebnis steht noch aus); und er zeigte zur Klärung durch einen Dritten auch die Senatsmitglieder an. Laut Disziplinarsenat haben diese jedoch im Rahmen ihrer richterlichen Unabhängigkeit gehandelt, mit „jedenfalls vertretbarem“ Ergebnis. [ Mirjam Reither]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2014)

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