Bälle dürfen beim Nachbarn landen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wenn hin und wieder ein Ball auf den angrenzenden Grund fliegt oder sportliche Töne in der Luft liegen, ist das noch kein Grund, um auf Unterlassung klagen zu können.

Wien. Mit den Temperaturen steigt die Lust auf Aktivitäten im Garten. Aber es beginnt auch die Hochsaison für Nachbarschaftsstreitigkeiten. Einen solchen Konflikt musste kürzlich der Oberste Gerichtshof (OGH) lösen. Dabei ging es um die Frage, ob man auf dem eigenen Grund einen Beachvolleyballplatz errichten und inwiefern man ihn nutzen darf. Die Nachbarin der sportiven Leute hatte sich belästigt gefühlt, weil auf ihr Grundstück Bälle fielen und der Lärm sie ärgerte.

Schauplatz des Streits war Maria Enzersdorf, im sogenannten Speckgürtel Wiens, in dem viele wohlhabende Personen wohnen. Nicht nur, dass der Beachvolleyplatz bereits ohne Genehmigung errichtet worden sei. Auch der Spielbetrieb störe sie, wandte die Nachbarin ein. Es werde geschrien und applaudiert. Bälle würden über die (drei bis vier Meter) hohe Grenzmauer geschossen werden. Der Geräuschpegel der Volleyballer bewege sich zwischen 40 und 75 Dezibel. Üblich sei in dieser Wohngegend aber ein Pegel zwischen 35 und 45 Dezibel. Dazu komme dann noch der Staub, der durch den Sand entstehe. Man könne die Fenster Richtung Nachbargrundstück nicht offen halten, ohne dass Staub eindringe, bemängelte die Frau. Ihre Gartenmöbel müsse sie erst recht abwischen. Und überhaupt könne man sich auf der Terrasse und im Garten nicht mehr ausruhen oder Gäste empfangen, geschweige denn konzentriert arbeiten, so laut sei es.

Spiellärm noch ortsüblich?

Die Volleyballfreunde von der Gegenseite bestritten, laute Gesellen zu sein. Bereits seit Jahrzehnten werde der Garten von Kindern genützt, die einen ähnlichen Lärmpegel verursachen würden, betonten sie. Außerdem werde im ganzen Viertel in Gärten Fußball gespielt. Eine Genehmigung, den Beachvolleyballplatz zu errichten, habe man nicht gebraucht, dies habe die Gemeinde bestätigt. Und ja, nach der Errichtung des Platzes habe es zwei Feiern gegeben. Aber inzwischen werde nur zweimal in der Woche Volleyball gespielt. Spätestens um 19 Uhr mache man immer Schluss. Dass Sand auf das andere Grundstück wehe, sei nicht wahr. Man habe einen speziellen Sand, der keinen Feinstaub entwickeln könne, aufgebracht. Der Platz sei von einer bis zu zwei Meter hohen Böschung umgeben.

Tatsächlich kann man sich aber als Nachbar grundsätzlich wehren, wenn ständig Bälle auf den eigenen Grund geflogen kommen. Das geht aus einem älteren Vorarlberger Fall hervor, in dem jemand erfolgreich gegen einen benachbarten, von einer Stadt geführten Fußballplatz klagte (OGH, 10 Ob 37/05x).

Doch im aktuellen Fall wies das Bezirksgericht Mödling die Klage ab – nicht ohne den Spielstil der Volleyballer genau zu analysieren. Ein Spielsatz dauere etwa 20 Minuten, ein Ballwechsel sieben Sekunden, die Pause bis zum nächsten Aufschlag betrage nach einem Fehler dann 13 Sekunden. Im Jahr 2010 wurden zwischen April und Oktober durchschnittlich zehn Stunden im Monat gespielt. Durch das Spielen werde die spezifische Schallemission um 1,8 Dezibel erhöht. Das sei aber zumutbar, auch werde nicht der Planungsrichtwert für diese Baulandkategorie überschritten. Bälle könnten bei jedem Ballspiel aufs Nachbargrundstück fallen. Dies sei hier innerhalb von drei Jahren viermal passiert, das reiche nicht für einen Unterlassungsanspruch. Und auch wenn Sandpartikel auf das angrenzende Grundstück gelangen könnten, müsse die Nachbarin das akzeptieren, zumal es nur um einzelne Exemplare gehe.

Ein paar Fehlschläge sind okay

Das Landesgericht Wiener Neustadt bestätigte das Urteil – und nahm nochmals darauf Bezug, dass nur vier Bälle über die Grenze geflogen seien. „Das Herüberfliegen von Bällen in solchen ,Ausreißersituationen‘ absolut zu verbieten, erscheint rechtsmissbräuchlich.“

Auch der Oberste Gerichtshof (4 Ob 220/13a) entschied für die Hobbysportler. Man könne den jetzigen Streit nicht mit dem einstigen Fußballfall vergleichen. Damals wurden mehrmals pro Woche, manchmal sogar mehrmals täglich, Fußbälle auf das andere Grundstück geschossen. Hier aber gehe es nur um wenige Bälle, die aus „unüblichen Fehlschlägen“ resultierten. Die Entscheidung der Vorinstanzen sei korrekt gewesen, so der OGH. Es darf somit weiter Beachvolleyball gespielt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2014)

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