VfGH sichert Demofreiheit: „Autofreier Tag“ am Ring muss erlaubt sein

(c) Michaela Bruckberger
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Höchstgericht hebt das Verbot einer Radler-Demonstration als verfassungswidrig auf: Polizei und Innenministerium haben Gefahr für öffentliche Sicherheit und öffentliches Wohl überbewertet. Die Demo hatte 2011 aber ohnehin stattgefunden.

Ein „autofreier Tag“ auf der Wiener Ringstraße muss möglich sein. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat ein durch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in zweiter Instanz bestätigtes Verbot einer solchen Demonstration als verfassungswidrig aufgehoben. Die Radfahrer hatten sich von der polizeilichen Untersagung im Jahr 2011 zwar ohnehin nicht beeindrucken lassen und die Kundgebung auf einem Teil der Straße um die Innenstadt durchgeführt; das Höchstgericht gibt der „Interessensgemeinschaft Fahrrad“ als Veranstalterin nun aber auch in aller Form Recht: Polizei und Innenministerium hatten die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und das öffentliche Wohl überbewertet, die Begründung des Verbots war für den VfGH „nicht nachvollziehbar“.

Weltweit am 22. September begangen

Die Radler wollten den autofreien Tag, der „weltweit auf den 22. September" fällt, auch in Wien wieder eindrucksvoll begehen, wie in den vorangegangenen Jahren. Zwei Tage davor zeigte der Obmann des Vereins der Bundespolizeidirektion Wien an, dass vom Burgring bis zur Rathausgasse „Für eine lebenswerte, autofreie Stadt“ demonstriert  werden sollte; von 11.00 bis 21.00 Uhr sollten die Autos von der Straße verbannt sein, der Asphalt teilweise mit Rollrasen belegt werden. Die Straßenbahn sollte, wie zuvor mit den Wiener Linien besprochen, fahren können, ebenso Einsatzfahrzeuge über die Gleise und auf den Nebenfahrbahnen.

Polizei: "Einer der verkehrsreichsten Tage"

Die Polizei sah ausgedehnte Verkehrsbehinderungen auf die Autofahrer zukommen, zumal an einem Donnerstag, der „erfahrungsgemäß als eine der verkehrsreichten Tage anzusehen“ sei. Die Bundespolizeidirektion Wien schlug den Veranstaltern vor, sich auf die Zeit bis 15:30 Uhr, bis zum Einsetzen der Abendverkehrsspitze“, zu beschränken. Darauf wollten die Veranstalter aber nicht eingehen. Also untersagte die Behörde die angekündigte Versammlung mit einem Bescheid vom 21. September 2011. Die Demonstration fand tags darauf, verkleinert und neu angemeldet, trotzdem statt.

Verkehrsbehinderung kein Grund für Verbot

Vertreten durch Rechtsanwalt Johannes Pepelnik focht die IG Fahrrad (heute: „Radlobby“) den Rechtsstreit bis zum Höchstgericht durch. Und dieses kippte nun das damalige Verbot.  Der Gerichtshof kritisiert, dass die Behörde die zu erwartenden „schwerwiegenden Verkehrsbehinderungen“ als Grund für das Verbot habe genügen lassen, obwohl es den Veranstaltern genau darum gegangen sei, öffentliche Verkehrsflächen für ihre Kundgebung zu benützen. Statt der Tatsache der Behinderung hätte also deren vorhersehbares Ausmaß gewürdigt werden müssen. Und das war, wie schon in den Jahren 2007 bis 2010 die Demonstrationen mit dem beziehungsvollen Namen „Rasen am Ring“ gezeigt hatten, nicht so groß einzustufen, dass man sich um die öffentliche Ordnung hätte sorgen müssen. Auch die Demonstrationen 2009 und 2010 hatten an Werktagen stattgefunden – mit der Folge eines „zähflüssigen Verkehrsaufkommens“ und „ausgedehnter Stauungen“, die aber im Lichte der verfassungsmäßig garantierten Versammlungsfreiheit hinzunehmen waren. Was den Donnerstag gegenüber anderen Werktagen besonders auszeichnen soll, blieb übrigens unerfindlich.

Insgesamt war für den VfGH „nicht nachvollziehbar, inwiefern die von der beschwerdeführenden Partei beabsichtigte Versammlung eine so schwerwiegende Gefahr der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohles hervorrufen hätte können, dass ihre Untersagung gemäß Art. 11 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt war“ (B1008/2013).

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