Konsumentenschutz durch Zettelwirtschaft

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Am Dienstag setzt das Parlament einen ab 13.Juni vereinheitlichten EU-Konsumentenschutz um. Mit großen bürokratischen Erschwernissen für Unternehmen und drakonischen Folgen bei Fehlern.

Wien. Am Dienstag geht es im Parlament Schlag auf Schlag: Gleich nach der Budgetrede von Finanzminister Vizekanzler Michael Spindelegger wird der Nationalrat das Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz beschließen. Es soll ab 13. Juni einen reformierten Konsumentenschutz bringen, wie ihn die EU für alle 28 Mitgliedstaaten vorgibt. „Wir haben uns bemüht, die gröbsten Unebenheiten abzuschleifen und in der innerstaatlichen Rechtslage einigermaßen harmonisierend zu wirken, aber ein komplexes und vielgliedriges Regelungswerk ist es allemal geblieben“, sagte Johannes Stabentheiner am Freitag bei einer Informationsveranstaltung der Wirtschaftskammer Österreich für Unternehmer. Stabentheiner leitet im Justizministerium jene Abteilung, die für die Umsetzung der EU-Richtlinie zuständig ist. Auffallend sind sehr weitreichende Informationspflichten für Unternehmen, die es sogar für Handwerker angeraten scheinen lassen, nur noch mit Formularen ausgestattet zum Kunden auszurücken. Formfehler können zu Leistungen ohne Bezahlung führen.

1. Informationspflichten

Für alle Unternehmen, die Verträge mit Verbrauchern schließen, gelten allgemeine Informationspflichten: Sie müssen in geeigneter Form – etwa per Aushang im Geschäft – über allerlei informieren, was sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt (z.B., dass in einem Autogeschäft Autos verkauft werden), von den wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung über den Namen und die Anschrift des Unternehmens und den Gesamtpreis bis zum Bestehen eines Gewährleistungsrechts. Ausgenommen sind etwa Geschäfte des täglichen Lebens, die sofort erfüllt werden (wie jene im Supermarkt), Fern- und Auswärtsgeschäfte (s.6.) und die Beratung beim Notar.

2. Haustürgeschäfte

14 Tage Rücktrittsrecht. Die EU-Richtlinie lässt einige Bereiche unberührt, wie Sozial-, Gesundheits-, Finanzdienstleistungen, Wohnraumvermietung, Pauschalreisen und Personenbeförderung. Dafür gelten weiter die Regeln über das Haustürgeschäft (z.B. Staubsaugerverkäufer, der von Tür zu Tür geht), freilich mit teilweiser Angleichung an die neuen Fern- und Auswärtsgeschäfte (s.6.): Es gilt nun eine Rücktrittsfrist von 14 Tagen, beginnend mit der Ausfolgung einer Urkunde mit Basisinformationen zum Geschäft und einer Belehrung über das Rücktrittsrecht. Ohne Urkunde läuft das Rücktrittsrecht nicht mehr ewig, sondern ein Jahr plus 14 Tage. Der Rücktritt kann auch mündlich (z.B. am Telefon) erklärt werden. Nicht angeglichen sind die Folgen des Rücktritts: Bei der konventionellen Version kann der Unternehmer für den Gebrauch der Ware ein Benützungsentgelt verlangen, bei der neuen nur eine Entschädigung für den Wertverlust.

3. Gratishotlines

Nachbetreuung. Für alle Verbrauchergeschäfte gilt: Bieten Unternehmen eine Telefonnummer, unter der Kunden im Zusammenhang mit geschlossenen Verträgen Unterstützung abrufen oder sich beschweren können, dürfen sie dafür kein Entgelt verlangen. Sehr wohl darf der Telefonbetreiber das bloße Verbindungsentgelt verlangen. Die Neos warnten im Parlament, ein Anwalt, der Telefonate nach Tarif abrechne, falle um sein Honorar um; bei der WKO-Veranstaltung fragte ein IT-Unternehmer, ob er noch entgeltlichen Telefonsupport bieten kann. Das Justizressort beruhigt: Verträge, als deren Hauptleistung explizit eine (auch telefonische) Beratung vereinbart ist, fallen nicht unter das Verbot der Extra-Entlohnung.

4. Zusätzliche Zahlungen

Ausdrückliche Zustimmung. Wer eine Ware kauft bzw. eine Dienstleistung bestellt, erhält oft Zusatzangebote, z.B. eine Versicherung für Ski oder für einen Flug. Solche Zusatzvereinbarungen binden den Kunden nur noch dann, wenn er ausdrücklich zustimmt; das Stehenlassen eines im Voraus ausgefüllten Häkchens gilt nicht als solche Zustimmung.

5. Frist für die Lieferung

30 Kalendertage. Das ist künftig die Maximalfrist, in der Unternehmer Waren zur Abholung bereithalten oder, so vereinbart, versenden müssen. Sie gilt allerdings nur, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Weiß beispielsweise ein Autohändler, dass das gewünschte Fahrzeug erst in zwei Monaten lieferbar ist, kann er vorsichtshalber auch zehn Wochen als Lieferfrist vereinbaren.

6. Auswärtsgeschäfte

Nicht ohne mein Formular. Für alle Verträge (Ausnahmen s.2.), die Unternehmer und Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen schließen – z.B. Staubsaugerkauf vom Vertreter, Spontanauftrag an Professionisten, zu Hause auszumalen –, gilt ab 13. Juni das neue Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz. Es normiert umfangreiche Informationspflichten im Vorfeld des Vertragsschlusses: 19 Punkte vom Vertragsgegenstand bis zum Rücktrittsrecht. Diese Informationen müssen auf Papier oder, falls der Kunde zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger (z.B. E-Mail) erteilt werden. Für Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen bis 200 Euro gelten Erleichterungen. Für das Rücktrittsrecht (s.7.) bietet das Gesetz in Anhängen eine Muster-Widerrufsbelehrung und ein Muster-Widerrufsformular. Nach dem Vertragsschluss muss der Unternehmer eine Bestätigung des geschlossenen Vertrags auf Papier oder, mit Zustimmung des Kunden, per Mail abgeben. Zivilrechtsprofessorin Brigitta Zöchling-Jud empfiehlt, zur Erfüllung der Infopflichten und zur Vertragsbestätigung ein und dasselbe Formular zu verwenden, um den bürokratischen Aufwand etwas einzugrenzen.

7. Rücktrittsrecht

Keine Zahlung trotz Leistung. Selbst wenn der Kunde den Unternehmer gerufen hat, kann er ab einem Preis von 50 Euro binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten (außer der Kunde bestellt eine dringende Reparatur/Instandhaltung). Wurde er nicht nachweislich darüber informiert, verlängert sich die Frist um ein Jahr. WKO-Expertin Huberta Maitz-Straßnig hat einen Tipp, wie Handwerker die Ungewissheit während der Rücktrittsfrist außer durch Abwarten noch vermeiden können: Kommt der Professionist in die Wohnung, nimmt er – etwa für eine neue Küche – Maß. Schickt er dann vom Büro aus ein Angebot, das der Kunde retourniert, ist das ganze kein Auswärtsgeschäft – also entfällt das Rücktrittsrecht. Das gilt auch, wenn der Kunde auf eine sofortige Ausführung besteht, über den Entfall des Rücktrittsrechts informiert wird und der Vertrag voll erfüllt wurde. Achtung: Fehlt es am ausdrücklichen Verlangen des Kunden oder hat er nicht bestätigt, um den Entfall des Rücktrittsrechts zu wissen, kann er ein Jahr lang zurücktreten und muss eine bereits erbrachte Dienstleistung nicht zahlen.

8. Verträge per Telefon

Dienstleistungen. Werden Verträge über Dienstleistungen nach einem Anruf des Unternehmers am Telefon vereinbart, bedürfen sie zur Verbindlichkeit auch für den Verbraucher der Formalisierung: Der Unternehmer muss sein Anbot auf einem dauerhaften Datenträger (Papier, Mail) übermitteln, der Verbraucher muss ebenso antworten. Das gilt aber nur für Anrufe, die „im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems“ erfolgen.

9. Button-Lösung

Kostenpflichtig bestellen. Gegen Internetabzocke richtet sich die Vorschrift, wonach Kunden auf Websites ausdrücklich darauf hinzuweisen sind, wenn sie sich zu etwas verpflichten: Ein entsprechender Button muss mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer ähnlich eindeutigen Formulierung gekennzeichnet sein. Nur „bestellen“ oder „weiter“ reicht nicht.

AUF EINEN BLICK

EU-Recht. Die Europäische Union hat, unter Mitwirkung Österreichs, am 25.Oktober 2011 die Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU erlassen. Diese schreibt für die gesamte Union einen weitgehend vereinheitlichten Konsumentenschutz bei Kauf- und Dienstleistungsverträgen vor. Ausgenommen sind unter anderem soziale Dienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen, Finanzdienstleistungen, Kaufverträge über Liegenschaften, die Wohnungsmiete und Pauschalreisen.

Umsetzung in letzter Minute. Die SPÖ-ÖVP-Koalition hat es in der vorigen Legislaturperiode verabsäumt, die Richtlinie pünktlich umzusetzen: Die neuen Regeln hätten bis 13.Dezember 2013 erlassen werden müssen, damit sich die Unternehmen auf das Inkrafttreten am 13.Juni einstellen können. Das Gesetz kommt jetzt gleichsam in letzter Minute.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2014)

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