"Sekkatur" oder berechtigte Anträge?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Strafrechtsexpertin Susanne Reindl-Krauskopf warnt davor, Beschuldigtenrechte zur Verfahrensbeschleunigung zu beschneiden.

Wien. 13 Jahre zwischen der Pleite des Internetdienstleisters Yline und dem Auftakt zum laufenden Untreueprozess gegen das damalige Management deuten auf eine rekordverdächtige Verfahrensdauer. Für Wilhelm Rasinger vom österreichischen Interessenverband für Kleinanleger Grund genug, ein heikles Thema anzusprechen: Man sollte den Fall zum Anlass nehmen, um über die Rechte der Beschuldigten nachzudenken. Denn, so sagte Rasinger zur „Presse“: Schuld an der langen Dauer der Ermittlungen, die fast alle Anleger bereits habe resignieren lassen, sei nicht nur die Justiz; auch die Beschuldigten hätten einiges unternommen, um das Verfahren in die Länge zu ziehen.

Aber ist das ein Grund, die Rechte von Beschuldigten zu beschneiden? Für Susanne Reindl-Krauskopf, Professorin für Strafrecht und Vizedekanin der Jusfakultät der Uni Wien, keinesfalls. Mitwirkungsrechte vom Antrags- bis zum Rechtsmittelrecht seien wesentliche Elemente rechtsstaatlicher Verfahren, wiewohl klar sei, dass man sie „verfahrenstaktisch bis ins Letzte ausreizen“ könne. „Es gehört zum Rechtsstaat dazu, dass man Rechtsmittelrechte und Beteiligungsrechte wahrnehmen kann“, sagt Reindl-Krauskopf zur „Presse“. „Je mehr dieser Rechte man dem Einzelnen wegnimmt, desto mehr degradiert man ihn von der Partei zum Objekt des Verfahrens.“

Missbrauch gehört abgestellt

Selbstverständlich gehöre es abgestellt, wenn jemand Rechtsmissbrauch betreibe. Nur: Wo beginnen? „Beim wievielten Antrag soll der Missbrauch einsetzen?“, fragt die Expertin. „Zwischen Anträgen zu unterscheiden, die Sekkatur sind, und solchen, die berechtigt sind, erscheint mir sehr schwierig.“

Überhaupt lehnt Reindl-Krauskopf es ab, den Beschuldigten Mitwirkungsrechte zu nehmen, die die Rechtsordnung aus guten Gründen vorsehe. Es mag verlockend klingen, große und spektakuläre Prozesse so zu beschleunigen. „Aber das könnte unter Umständen auch Auswirkungen auf andere Verfahren haben.“ Man müsse auch bedenken, dass es im Strafrecht um heftige Sanktionen bis zu mehrjährigen Freiheitsstrafen gehe. „Umso problematischer wäre es, Beschuldigtenrechte zu beschneiden.“

Aber können nicht vermögendere Beschuldigte mehr Rechtsmittel ergreifen? „Das ist in der Tat ein kritischer Punkt. Selbstverständlich sollte es nicht von den finanziellen Mitteln des Betroffenen abhängen, ob und wie gut er ,zu seinem Recht kommt‘.“ Bei der Verfahrenshilfe, die für einen Ausgleich sorgen soll, scheine es praktisch nach wie vor Defizite zu geben. „Aber auch vor diesem Hintergrund sollte man nicht die Rechte an sich beschneiden, sondern vielmehr bestehende Instrumente verbessern oder neue erarbeiten, die auch den weniger Vermögenden eine vergleichbare Chance auf Ausübung ihrer Verteidigungsrechte garantieren.“

Reindl-Krauskopf räumt ein, dass es für die Opfer höchst unerfreulich sei, wenn die Jahre vergehen, ohne dass sie zu einer Entschädigung kommen. Opferrechte mitzubedenken, wo dies leicht möglich sei, sei gut und richtig. „Aber die primäre Aufgabe des Kriminalstrafverfahrens ist nicht die Befriedigung von Opferinteressen, sondern die Klärung des Tatvorwurfs im Interesse der Allgemeinheit.“ (kom)

ZUR PERSON

Susanne Reindl-Krauskopf, Linzerin des Jahrgangs 1971, hat sich 2003 für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Uni Wien habilitiert. Seit 2010 ist sie dort Vizedekanin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Seit Februar 2013 ist sie Mitglied der Expertengruppe zur Reform des StGB, „StGB 2015“. [ Michaela Bruckberger ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2014)

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