Sterbehilfe: „Hände weg von Verfassung“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Frage, ob man das Strafrecht in puncto Sterbehilfe ändern sollte, ist umstritten. Die Idee der Regierung, die Sterbehilfe sogar im Verfassungsrang zu verbieten, wird von Experten aber klar abgelehnt.

Wien. Wer jemandem bei seinem Freitod hilft, muss in Österreich fürchten, vor dem Strafrichter zu landen. Auch wenn er nur für eine schwer kranke Person die Reise in die Schweiz organisiert, damit sie dort Sterbehilfe in Anspruch nehmen kann. Gleichzeitig erlauben die heimischen Gesetze es aber, medizinische Behandlungen abzulehnen, wenn man sein Leben nicht mehr verlängern will. In diesem Fall wäre der Arzt sogar strafbar, wenn er die Behandlung durchführt. Diese Rechtslage skizzierte beim „Rechtspanorama am Juridicum“ vergangene Woche Kurt Schmoller, Professor für Strafrecht an der Uni Salzburg. Doch nun könnten rechtliche Neuerungen ins Haus stehen.
Denn die Regierung erwägt, das Verbot der Sterbehilfe in die Verfassung zu schreiben. „Und da habe ich gewisse Bedenken“, meinte Schmoller. Die momentan „sehr differenzierte Gesetzgebung“ zu dem Thema könnte ins Wanken geraten, wenn man ein Verbot des Tötens auf Verlangen in die Verfassung schreibt. Schließlich müssen alle einfachen Gesetze an der Verfassung gemessen werden und würden bei einem Widerspruch aufgehoben werden. „Die Frage ist, ob man den Lebensschutz nicht besser erfüllt, indem man den Zugang zur schmerzmindernder Behandlung auf kostenfreier Basis in der Verfassung verankert“, meinte Schmoller. Dies will die Regierung auch verankern, aber nur einfachgesetzlich.
Noch deutlicher wurde in der von der „Presse“ und der Wiener Jus-Fakultät veranstalteten Debatte Christian Kopetzki, Staatsrechtler und Leiter der Abteilung für Medizinrecht an der Uni Wien. Einen Status quo in die Verfassung zu schreiben sei falsch. „Ich halte das für einen demokratiepolitischen Unsinn der größten Art.“ Denn diese Verfassungsbestimmung sei „im besten Fall sinnlos“. Und im schlechtesten Fall gefährde die Bestimmung Regelungen wie die Patientenverfügung, mit der Bürger medizinische Behandlungen ablehnen können. Man solle die Frage, ob Sterbehilfe erlaubt sein soll, jeder Generation überlassen und nicht etwas in die Verfassung schreiben, was man nur mehr mit Zweidrittelmehrheit im Parlament wegbekommt. „Hände weg von der Verfassung, die Verfassung ist keine Sondermülldeponie für weltanschauliche Duftmarken“, appellierte der Professor.

Unnötige Therapie für Kranke


Auch der Umgang mit Kranken war ein zentrales Thema. Der Wunsch zu sterben schwinde mit der richtigen Behandlung, berichtete Athe Grafinger, Leiterin der Abteilung für Innere Medizin mit palliativer Geriatrie im Haus der Barmherzigkeit (Pflegezentrum Tokiostraße). „In der überwiegenden Mehrheit der Fälle heißt ,Ich will nicht mehr leben‘ nur ,Ich will so nicht mehr leben.‘“ Gute Palliativbetreuung könne viel bewirken. Man müsse aber auch die Ärzte in die Kritik nehmen. Die Ausbildung zur Palliativmedizin sei zu wenig verankert, es gebe keinen eigenen Facharzt dafür. Und am Ende des Lebens gebe es für Patienten oft „unnötige Diagnostik und Therapie“. Diese könne man sich sparen und dafür in die Palliativmedizin investieren.
Erfahrung mit Leuten, die ihren Lebenswillen verloren haben, hat Ludwig A. Minelli, Generalsekretär des Schweizer Vereins „Dignitas: Menschenwürdig leben – menschenwürdig sterben“. Wenn jemand nicht mehr leben wolle, könne er in Österreich mit niemandem reden, bemängelte er. Ansonsten verliere er sein Gesicht oder laufe Gefahr, unter Aufsicht gestellt zu werden. Daher sei es schwer, Suizidgefährdete zu erkennen: „Die Leute tragen ja kein Schild, auf dem steht: ,Ich werde mich demnächst vor einen Zug werfen‘“, sagte Minelli. Bei seinem Verein aber würden die Leute anrufen und offen sagen, dass sie ihr Leben beenden wollen. „Wir können einen Wegweiser zur Palliativmedizin geben und sagen, dass es eine Lösung gibt.“
Wenn aber jemand trotzdem aus dem Leben scheiden möchte, biete der Verein die Möglichkeit dazu. Zwei Gespräche seien nötig, ein Arzt müsse ein Rezept für das zu schluckende Mittel, das den Tod auslöst, ausstellen. Bis zuletzt könne der Patient sich gegen den Freitod entscheiden. Wenn er aber wolle, könne er sterben – in Anwesenheit seiner Angehörigen. Bei Suiziden im Geheimen gebe es hingegen eine hohe Quote gescheiterter Versuche mit teilweise dramatischen Folgen für den gerade noch Überlebenden.
Bei Österreichern ist die Begleitung durch Angehörige aber eben heikel. Ein Kärntner, der seine Frau in die Schweiz begleitet hatte, wurde nach einer anonymen Anzeige wegen Mitwirkung am Selbstmord angeklagt. Er wurde freigesprochen, ein Grundsatzurteil, das es erlauben würde, Angehörige auf dem Weg zum Freitod zu begleiten, war das aber nicht. Sollte man die Strafgesetze also liberalisieren? „Meiner Meinung nach gibt es keine Notwendigkeit für aktive Sterbehilfe, sondern für umfassende Betreuung und für Lebenshilfe“, meinte Grafinger. Überdenken könne man aber Strafandrohungen bei Beihilfe zum Freitod, wenn jemand keine andere Möglichkeit mehr sieht, als zu sterben. Schmoller verteidigte die jetzige Rechtslage: Es gebe gute Gründe für das Verbot der Tötung auf Verlangen. Diese Mitwirkung generell zu erlauben sei wohl der falsche Weg, weil Leute ja auch wegen „Liebeskummer oder beruflicher Probleme“ Suizidgedanken haben könnten. Die Abgrenzung, ab wann eine Mitwirkung erlaubt sein soll, wäre schwierig. „Ich möchte kein Plädoyer für Straffreiheit halten“, sagte wiederum Kopetzki. Aber er zweifle daran, ob das Verbot der Beihilfe zum Selbstmord „kriminalpolitisch zwingend nötig ist“.

Auch Begriff Sterbehilfe strittig


Laut Regierungsprogramm soll die Bioethikkommission bei der Frage, ob es zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Verbots der Sterbehilfe kommen wird, eingebunden werden. Deren Vorsitzende, Christiane Druml, erklärte auf dem Podium, ihr Gremium lehne den Begriff Sterbehilfe ab: „Es ist völlig unklar, was damit gemeint ist.“ Wichtig sei, dass der „Wille des Menschen beachtet wird“, man müsse den Leuten auch die „berechtigte Angst“ vor einer Überbehandlung nehmen. Das geltende Strafrecht könne man für jene Fälle überdenken, in denen „ein unermessliches Leiden vorliegt“, so Druml. Einer Novelle im Verfassungsrang steht aber auch sie skeptisch gegenüber: „Ich denke, dass es wohl keinen Bedarf gibt, die Verfassung zu ändern.“

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