„Aschenbecher Europas“

Aschenbecher
Aschenbecher(c) Clemens Fabry / Die Presse
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Der Oberste Gerichtshof erschwere einen wirksamen Nichtraucherschutz, klagt der resignierende „Rauchersheriff“.

Wien. „Es muss schleunigst ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie und ein effektives staatliches Kontrollsystem eingeführt werden, damit Österreich nicht weiter als Aschenbecher Europas bezeichnet wird.“ Mit diesen Worten meldet sich nun jener Mann zu Wort, der den Obersten Gerichtshof zu einem für ihn sehr unerfreulichen Urteil veranlasst hat: „Rauchersheriffs“, die systematisch Lokale besuchen und wegen Verletzungen von Nichtraucherschutzbestimmungen anzeigen, können demnach von Wirten verbannt werden. „Wirte dürfen sich durch Verhängung von Lokalverboten vor berechtigten Anzeigen schützen“, sagt der Mann, der vorsichtshalber anonym bleiben will. Der OGH erschwere damit einen wirksamen Nichtraucherschutz.

Der überzeugte Nichtraucherschützer, der nun nach rund 1000 von ihm erhobenen Anzeigen und dem OGH-Urteil (4Ob48/14h) resigniert, sieht sich vom OGH „als ,Rauchersheriff‘ verunglimpft“ und in die Nähe von totalitären Regimen und Privatpolizei gerückt. Dabei sei er – „ein Kämpfer für eine gute Sache, kein Fanatiker“ – selbstverständlich dafür, dass der Staat selbst effektiv kontrolliere und für die Einhaltung des Nichtraucherschutzes sorge. „Aber was, wenn nicht?“ Wer einen Zigarettenstummel aus dem Auto werfe, müsse mit einer Anzeige einer Amtsperson rechnen. „Lässt aber ein Gastronom die Tür zwischen Raucherraum und Nichtraucherraum vorsätzlich ständig geöffnet, schaut der Staat weg“, so der Mann.

Der OGH ist „lebensfremd“

Der OGH hält nur Klagen von Mitbewerbern, Verbraucherschutzverbänden und „normalen“ Gästen für zulässig. Dazu der Kämpfer i.R.: „Wie lebensfremd ist der OGH eigentlich?“ Die Verantwortung für Gesundheitsschutz in die Hände von Stammgästen oder Laufkundschaft zu legen sei eine Zumutung. „Warum sollte ein Laufkunde Interesse haben, ein Lokal anzuzeigen, das er nicht regelmäßig besucht? Und warum ein Stammgast?“ Anzeigen seien mit erheblichem Aufwand verbunden, im schlimmsten Fall sei mit beruflichen oder gesellschaftlichen Nachteilen zu rechnen (daher der Wunsch nach Anonymität).

Der „Rauchersheriff“ wider Willen kann auch keinen Unterschied erkennen, ob ein Wirt dreimal von einem konsumierenden Nichtraucherschützer angezeigt wird oder von drei „normalen“ Gästen je einmal. Ebenso wenig sei einzusehen, warum ein „normaler“ Gast ein Lokal nicht so lange anzeigen darf, bis das Tabakgesetz eingehalten wird. „Einmal anzeigen ist hui, zweimal anzeigen ist pfui?“

Nachdem die Politik bisher beim Nichtraucherschutz versagt habe, mache nun eine mutlose höchstgerichtliche Entscheidung das Tabakgesetz endgültig zum toten Recht. Der OGH treffe eine Güterabwägung zum Nachteil der Gesundheit der Bevölkerung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2014)

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