Bürger versäumen leichter Fristen

(c) Clemens Fabry
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Die Einführung der neuen Gerichte hat auch Nachteile: So verpasst man eher Fristen, wenn man die Beschwerde an falscher Stelle einbringt. Was leicht passieren kann.

Wien. Seit 1.Jänner 2014 gehen das Bundesverwaltungsgericht und die neun Landesverwaltungsgerichte ihrer Arbeit nach. Die Politik feierte die Einführung dieser Gerichte und stellte sie als wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Rechtsschutzes der Bürger dar. Die Qualität und der Umfang des Rechtsschutzes zeigen sich aber oftmals weniger in der Organisation und der verfassungsrechtlichen Stellung der Entscheidungsträger, als vielmehr in der Ausgestaltung des Verfahrensrechts. Das zeigen zwei Beispiele, in denen die Einführung der Verwaltungsgerichte eine Verschlechterung für den Bürger bringt:

•Verwaltungsgericht kann eigene Fehler nicht beheben. Auch wenn ein Verwaltungs(straf)verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, gibt es Möglichkeiten für eine nachträgliche Abänderung und Aufhebung der Entscheidung. Einerseits im Rahmen einer Wiedereinsetzung oder Wiederaufnahme des Verfahrens (die von der Partei zu beantragen sind). Und andererseits durch ein Einschreiten von Amts wegen. Und hier gibt es eine Verschlechterung. Vor der Reform konnte die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (im Instanzenzug übergeordnete Behörde oder Aufsichtsbehörde) und der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) unter bestimmten Voraussetzungen einen erlassenen Bescheid wieder aufheben oder abändern.

Das gab es in Administrativverfahren einerseits bei Bescheiden, die niemandem ein Recht zuerkannten und andererseits, wenn es zur Beseitigung von Gefahren für die Gesundheit oder das Leben von Menschen sowie zur Abwehr volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig war. Weiters bei besonders gravierenden Rechtsverletzungen, wie zum Beispiel Fällung einer Entscheidung durch eine unzuständige Behörde. Auch in Verwaltungsstrafverfahren bestand diese Möglichkeit des amtswegigen Einschreitens bei einer offenkundigen Rechtsverletzung, die sich zum Nachteil des Bestraften auswirkte.

Nun ist das anders. Der Gesetzgeber hat offensichtlich für die Verwaltungsgerichte, die die UVS auf Länderebene nun ersetzen, keine Notwendigkeit mehr für diese von Amts wegen zu ergreifende Maßnahme gesehen. Auch wenn die UVS der Länder nicht täglich davon Gebrauch machten, war es durchaus ein Mittel zur Korrektur der Entscheidungen zugunsten der Bürger. So konnte der Unabhängige Verwaltungssenat unter anderem auch noch Änderungen zwischen der mündlichen Verkündung und der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung vornehmen, was dem Bürger entgegenkam. Damit ist jetzt Schluss. Seit 1.Jänner 2014 gibt es die Möglichkeiten der amtswegigen Abänderung bzw. Aufhebung von Bescheiden nur mehr für die den Bescheid erlassende Behörde sowie die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde.

•Wer die Beschwerde an falscher Stelle einbringt, versäumt leichter Fristen. Noch größere Auswirkungen auf den Rechtsschutz der Bürger könnte Beispiel Nummer zwei entfalten. Beschwerden an das Verwaltungsgericht sind nicht beim Gericht, sondern bei der Behörde, die den zu bekämpfenden Bescheid erlassen hat, einzubringen. Und zwar binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheids. Eine Beschwerde ist also nur dann rechtzeitig eingebracht, wenn sie in diesen vier Wochen bei der Behörde einlangt. Das Verwaltungsgericht hat eine bei ihr irrtümlich direkt eingebrachte Beschwerde zwar an die Behörde weiterzuleiten, das Risiko einer Fristversäumnis trifft aber die Partei. Nur in einzelnen Materien, wie Ansprüche nach dem Kriegsopferversorgungs-, Verbrechensopfer- und Heeresversorgungsgesetz, gibt es von der starren Regel Ausnahmen.

Bislang kein Problem

Vor Einrichtung der Verwaltungsgerichte war das alles kein Problem. Die Berufung galt auch bei Übermittlung an die Berufungsbehörde, zum Beispiel an den UVS, als rechtzeitig eingebracht. Im Gegensatz zu Zivil- und Strafverfahren treten Parteien in Verwaltungs- und Verwaltungsstrafverfahren häufig ohne Rechtsanwalt auf. Da kann den rechtsunkundigen Bürgern schon einmal der Fehler unterlaufen, das Rechtsmittel irrtümlich beim Gericht, statt bei der Behörde, einzubringen.

Auf eine schnelle Weiterleitung der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht kann sich der Bürger wohl nicht immer verlassen, sodass die Beschwerde verspätet bei der Behörde landen kann. Diese neue Regel zeigt in der Praxis schon erste Auswirkungen – zuungunsten der Bürger. Ein Blick des Gesetzgebers zu den sozialrechtlichen Leistungssachen (z.B. Invaliditätspension) hätte übrigens genügt. Dort kann der Versicherte die Klage beim Versicherungsträger oder beim zuständigen Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht einbringen.

Mag. Markus Huber ist Mitarbeiter der

Volksanwaltschaft

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2014)

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