Anwaltsprüfung ohne Konzipientenzeit

(c) Illustration Vinzenz Schüller
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Ein Grazer studierte Jus, wurde in Spanien ohne Praxiszeit Abogado und muss nun laut VfGH zur Eignungsprüfung als Anwalt in Österreich zugelassen werden.

WIEN. Robert Koller könnte der erste österreichische Jurist sein, der hier Rechtsanwalt wird, ohne die praktische Vorbereitungszeit als Konzipient zurückgelegt zu haben. Der knapp 29-jährige Grazer ist in Spanien „Abogado“ und will als EU-Bürger jetzt von der europäischen Freizügigkeit Gebrauch machen. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sichert ihm dazu gegen den Willen der heimischen Standesvertretung die Startvoraussetzungen. Sollte Koller ans Ziel kommen, ist er allerdings vielleicht auch der Letzte, dem dies gelingt: Anwaltskammer und Justizministerium orten ein Schlupfloch, das tunlichst geschlossen werden sollte.

Koller hat in Graz Jus studiert und übersiedelte dann „aus persönlichen Gründen“, wie er sagt, nach Spanien. Dort absolvierte er etliche juristische Kurse an der Universität, bis er mit Hilfe von Ergänzungsprüfungen nach zweieinhalb Jahren eine – aus spanischer Sicht – Nostrifikation seines Studienabschlusses erreichte: Sein Magister iuris wurde vom spanischen Wissenschaftsministerium als gleichwertig mit dem spanischen „Licenciado en Derecho“ anerkannt. Mit einer bemerkenswerten Folge: Koller konnte sich sogleich bei der Rechtsanwaltskammer Madrid anmelden, weil in Spanien (noch) keine Praxiszeit vorgeschrieben ist (die Einführung einer zweijährigen Berufsvorbereitung steht unmittelbar bevor). Seit 14. März 2005 führt Koller die Berufsbezeichnung „Abogado“.

Drei Wochen später beantragte er bei der Rechtsanwaltsprüfungskommission beim Oberlandesgericht Graz die Zulassung zur Eignungsprüfung als Anwalt in Österreich. Anwälte, die aus dem europäischen Ausland kommend sich in Österreich niederlassen wollen, müssen entweder drei Jahre Berufspraxis bei einem Anwalt nachweisen oder die erwähnte Eignungsprüfung bestehen. Neben der Zulassung zur Prüfung beantragte Koller – mit Blick auf das ohnehin in Österreich absolvierte Jusstudium – auch gleich die Erlassung derselben. Doch beides lehnte der Vorsitzende der Kommission ab. Auch die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission ließ Koller abblitzen: Seine Vorgehensweise verfolge nur den Zweck, die fünfjährige praktische Verwendung „missbräuchlich zu umgehen“, befand die OBDK; die Prüfung beantrage Koller bloß zum Schein, wenn er sogleich davon befreit werden wolle.

Also blieb für Koller nur noch der Gang zum Höchstgericht – mit einem lokalen Einvernehmensanwalt an der Seite, der dem „dienstleistenden europäischen Anwalt“ die Beschwerde unterschrieb. Und hier setzte sich Koller mit seiner Berufung auf den Gleichheitssatz durch: Die OBDK habe die Rechtslage grundlegend verkannt und ihren Bescheid mit Willkür behaftet. Die Zulassung zur Prüfung könne Koller nicht mit der Begründung verwehrt werden, dass er keine berufliche Ausbildung absolviert habe, wenn eine solche in Spanien nicht vorgesehen sei. Dem Beschwerdeführer Missbrauch vorzuwerfen, ist für den VfGH „völlig verfehlt“ (B 1098/06). Bloß mit der Einschätzung, dass die Prüfung nicht unter Hinweis auf die Diplomprüfungszeugnisse gänzlich erlassen werden könne, geht der Gerichtshof konform: Koller muss also zwar zur Prüfung zugelassen werden, diese allerdings wohl zumindest zum Teil auch ablegen.

Das Justizministerium und der Rechtsanwaltskammertag suchen nun eine Möglichkeit, für die Zukunft die Abkürzung über das europäische Ausland zu versperren.

ZUR PERSON: Robert Koller

Geboren: am 30. Juni 1979 in Graz

„Künstlername“: Robert Koller-Vernon – weil in Spanien Doppelnamen üblich sind, hat er dort den Mädchennamen seiner kolumbianisch-stämmigen Mutter an seinen angehängt

Studium, Beruf: Jus in Graz, derzeit Anwalt in Spanien und Gibraltar [privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2008)

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