Mann muss vor Ehe sagen, wenn er Frau sein will

Paar im Schattenriss
Paar im Schattenrisswww.BilderBox.com
  • Drucken

Erst Jahre nach der Hochzeit erklärte ein Niederösterreicher, er fühle sich seit seiner Jugend weiblich. Das hätte er vor der Trauung sagen sollen, meint die Ehefrau – und klagt erfolgreich.

Wien. Sehr überrascht reagierte eine Niederösterreicherin, als ihr Mann erklärte, selbst eine Frau sein zu wollen – nach zwölf Jahren Ehe. Neben privaten galt es nun aber auch, rechtliche Fragen zu klären. Denn die Frau forderte, dass die Ehe aufgehoben werde, weil ihr Mann die Transsexualität verschwiegen habe. Aber hätte er dieses Gefühl schon vor der Hochzeit verraten müssen? Ein Fall für die Gerichte.

Kennen gelernt hatte sich das Paar einst über das Internet. Und lange lief die Ehe gut. Doch der Mann fiel in eine Art Lebenskrise. Er war arbeitslos geworden, trat körperlich weniger gepflegt auf, ging in Psychotherapie und ließ sich auf Rollenspiele im Internet ein. Bei diesen nahm der Mann die Rolle einer Frau ein und fand daran immer mehr Gefallen. Eines Tages eröffnete der Mann seiner Ehefrau, dass er eine Operation plane. Eine geschlechtsanpassende Operation, denn eigentlich wisse er auch bereits seit der Pubertät, dass er kein Mann, sondern eine Frau sei.

Er sei eine lesbische Frau im Körper eine Mannes, betonte der Ehegatte nun. Daher fühle er sich auch seit jeher zu Frauen hingezogen. Die nunmehrige Ehe war für den Mann schließlich nicht die erste: Bereits zuvor hatte er eine rund siebenjährige Ehe mit einer anderen Frau geführt, aus der auch zwei Kinder entstammten.

Auf die Idee, dass ihr Mann transsexuell sein könne, wäre sie nie gekommen, betonte die Ehefrau. Sie forderte vor Gericht die Aufhebung der Ehe: wegen Irrtums und arglistischer Täuschung. Denn sie hätte ihren Ehemann nie geheiratet, wenn sie die Wahrheit gewusst hätte. Bei der Aufhebung einer Ehe ist – ähnlich wie bei einer Scheidung – zu prüfen, welcher Partner die Schuld trägt (was wiederum für die weiteren Scheidungsfolgen entscheidend ist).

Wie Wunsch, Millionär zu sein?

Vor Gericht wurden E-Mails des Mannes, in denen er zugibt, sich seit Jugendtagen als Frau zu fühlen, als Beweis vorgebracht. Auch Zeugen, denen der Mann von seinem schon lange gehegten Wunsch nach einem anderen Geschlecht erzählt hatte, mussten vor Gericht aussagen. Der Ehemann – er trat vor Gericht in Frauenkleidern und mit schulterlangen Haaren auf – wehrte sich jedoch gegen den Vorwurf, etwas verschwiegen zu haben. Ja, er habe seit der Pubertät den Wunsch, eine Frau zu sein. Aber man müsse das ähnlich sehen wie den Wunsch, Millionär zu werden. Es sei ein Wunsch, „den es nicht spielt“. Das Gericht solle daher nicht Wunsch und Wissen verwechseln. Erst während einer Therapiesitzung sei ihm klar geworden, wie ernst ihm der Wunsch, Frau zu sein, wirklich ist.

Das Bezirksgericht St.Pölten gab dem Antrag der Frau, die Ehe aufzuheben, statt – und zwar wegen Irrtums. Und an diesem sei der Mann allein schuld. Denn man müsse vor der Hochzeit dem Partner alles sagen, was bedeutsam sein könnte. Der Mann hätte also seinen „intensiven Wunsch, eine Frau zu sein“ oder gar das davon vorhandene „Wissen“ nicht verschweigen dürfen, erklärte das Erstgericht.

Das Landesgericht St.Pölten bestätigte das Urteil. Denn die Frau hätte den Mann tatsächlich nie geheiratet, wenn der Bräutigam ihr gesagt hätte, was er fühlte. Der Mann habe aber schon bei der Eheschließung gewusst, „eine Frau in einem männlichen Körper“ zu sein.

Der Ehemann ging vor den Obersten Gerichtshof. Sein Argument: Es habe keine medizinische Diagnose gegeben, laut der er transsexuell sei. Er habe vor der Hochzeit nur den subjektiven, wenn auch selbst angezweifelten Wunsch in sich getragen, lieber eine Frau als ein Mann zu sein.

Keine sichere Diagnose nötig

Doch der Einwand blieb vergebens. Auch die Höchstrichter (3 Ob 84/14w) erklärten, dass der Ehemann vor der Eheschließung hätte erörtern müssen, dass er lieber eine Frau wäre. Dazu habe es keiner medizinisch gesicherten Diagnose über die Transsexualität bedurft. Der Mann sei seinen Informationspflichten vor der Hochzeit nicht nachgekommen. Ihn treffe die alleinige Schuld daran, dass die Ehe nun aufgehoben wird.

AUF EINEN BLICK

Das Höchstgericht bestätigt in einer aktuellen Entscheidung, dass es vor der Hochzeit umfangreiche Informationspflichten gegenüber dem Partner gibt. Ein Mann, der seiner Braut nicht gesagt hat, dass er sich seit der Pubertät als Frau fühlt, habe gegen diese Informationspflichten verstoßen. Die Ehe wurde vom Gericht aufgehoben, und es erklärte, dass der Mann die Schuld daran trage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.