Vermummungsverbot: Radler wehrlos, weil nicht betroffen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Verfassungsgerichtshof lässt einen Wiener, der sich auf Kälteschutz beruft, mit Antrag gegen die Verordnung abblitzen.

Wien. Der Akademikerball der FPÖ vom 24.Jänner in Wien und die Proteste dagegen haben auch Wellen bis zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) geschlagen. Diesmal ging es um das Vermummungsverbot, das die Polizei in Wien an jenem Abend für den gesamten Bereich innerhalb des Gürtels verordnet hatte. Der Antragsteller unterlag, wie auch jener deutsche Student Josef S., der im Juli am Straflandesgericht Wien unter anderem wegen Landfriedensbruchs zu einer zwölfmonatigen teilbedingten Haftstrafte verurteilt worden war (nicht rechtskräftig). Allerdings ist die Niederlage vor dem VfGH eine bloß formale und ohne praktische Konsequenzen.

Gesicht bei Fahrt verdeckt

Der auf der Wieden wohnende Antragsteller gab an, regelmäßig mit dem Fahrrad zu seiner Dienststelle und zurück zu fahren. In der kalten Jahreszeit trage er dabei einen Schal, einen Helm und bei stärkerem Wind auch eine Sturmhaube; während der Fahrt sei sein Gesicht zum Teil durch den Kragen seiner Jacke bedeckt.

Am 24.Jänner aber habe ihn das Vermummungsverbot gezwungen, den Heimweg ohne den Kälteschutz anzutreten. Er brachte deshalb beim VfGH einen Individualantrag gegen die Verordnung ein – wohl wissend, dass die formalen Hürden dafür ziemlich hoch sind. Voraussetzung für die Befugnis, einen solchen Antrag überhaupt zu stellen, ist nämlich, dass die betreffende Verordnung unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift und diese – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

„Strafe nicht zu riskieren“

Der Radler argumentierte, es sei ihm nicht zumutbar gewesen, eine Bestrafung zu riskieren. Und: Die Verordnung verstoße gegen das Recht auf Privatleben, das Legalitätsprinzip und das Sicherheitspolizeigesetz. Ohne inhaltlich auf diesen Vorwurf einzugehen, wies das Höchstgericht den Antrag des Mannes jedoch zurück: Dieser sei nämlich gar nicht Adressat der Verordnung, wie sich aus deren Wortlaut ergebe. Demnach sei bloß verboten, Gesichtszüge zu verhüllen oder zu verbergen, um die Wiedererkennung oder die Feststellung der Identität zu verhindern. Wenn der Mann sich aber beim Radfahren gegen Kälte schütze, dann sei er von der Verordnung nicht erfasst.

Die Verordnung richte „sich bloß an an bestimmten näher bezeichneten öffentlichen Orten aufhältige Personen [...], die mit dem Ziel, ihre Wiedererkennung zu verhindern, ihre Gesichtszüge verbergen. Dies ist bei einem sich vor Kälte schützenden Radfahrer auszuschließen.“ Schlussfolgerung des VfGH (V15/2014): „Die Verordnung greift daher in die Rechtssphäre des Antragstellers nicht ein.“ (kom)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2014)

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