EU-Gerichtshof setzt der Parodie Grenzen

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Ursprüngliche Urheber müssen sich nicht mit diskriminierenden Aussagen in Verbindung bringen lassen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) wagt sich an eine heikle Grenzbestimmung: zwischen freier Meinungsäußerung in Form einer Parodie einerseits und den Rechten des Urhebers am verfremdeten Werk andererseits. In einer heute veröffentlichten Entscheidung stellt der EuGH klar, dass sich Urheber nicht mit diskriminierenden Aussagen in Verbindung bringen lassen müssen, die im parodierten Werk nicht enthalten waren (C-201/13).

Fremdenfeindliche Aussage

Der Streit nahm seinen Ausgang in der belgischen Lokalpolitik, und zwar in der Stadt Gent. Johan Deckmyn, Mitglied der fremdenfeindlichen Partei Vlaams Belang, verteilte dort auf einem Neujahrsempfang Kalender für 2011. Die Vorderseite erinnerte stark an eine Zeichnung auf einem Deckblatt eines Comic-Hefts (Suske en Wiske) aus dem Jahr 1961: Willy Vandersteen hatte unter dem Titel „De Wilde Weldoener“ (Der wilde Wohltäter) einen Herrn gezeichnet, der über einem Platz schwebte und Geld verteilte. Auf der Parodie war in dem Herrn dann der amtierende Bürgermeister von Gent erkennbar, und unter ihm sah man nicht irgendjemanden die goldenen Münzen aufsammeln, sondern verschleierte und dunkelhäutige Personen. Die politische Aussage war mehr als deutlich.

Freiheit der Karikatur

Vandersteens Erben und andere, die Rechte an der Comic-Reihe besaßen, konnten sich damit allerdings gar nicht anfreunden. Sie sahen sich in ihren Urheberrechten verletzt und klagten Deckmyn und den Vrijheidsfonds, eine Organisation, die den Vlaams Belang finanziert. Die beriefen sich auf die Freiheit der Karikatur und Parodie. Das mit dem Fall befasste Rechtsmittelgericht Brüssel schaltete den EuGH ein.
Die Urheberrechts-Richtlinie (2001/29/EG) gibt Urhebern das ausschließliche Recht, die Vervielfältigung und die öffentliche Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten. Die Mitgliedstaaten können es aber erlauben, dass ein Werk ohne Zustimmung des Urhebers für Karikaturen oder Parodien genutzt wird. Der Gerichtshof sieht als wesentliches Merkmal einer Parodie, dass sie einerseits an ein bestehendes Werk erinnert, sich aber wahrnehmbar davon unterscheidet, und dass sie anderseits humoristisch ist oder Spott ausdrückt.

Schutz für Rechteinhaber

Der ursprüngliche Urheber darf der Verfälschung nicht schutzlos ausgeliefert sein. Denn, so der EuGH: Vermittelt eine Parodie eine diskriminierende Aussage (z. B. indem Figuren ohne besondere Merkmale durch verschleierte und farbige Personen ersetzt werden), dann haben die Inhaber der Rechte an dem parodierten Werk grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, dass ihr Werk nicht mit dieser Aussage in Verbindung gebracht wird.
Was das im konkreten Streitfall genau bedeutet, ist jetzt freilich noch offen: Das Rechtmittelgericht Brüssel muss jetzt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls prüfen, ob die Rechte der Urheber ausreichend gewahrt sind.

Das EuGH-Urteil im Volltext

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