Pacta sunt servanda – aber nicht im Mobilfunk

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Der Gastautor aus der Vorwoche irrt. Das Gesetz erlaubt es ausdrücklich, Telefonverträge einseitig zu ändern. Dafür darf der Kunde in diesem Fall den Vertrag kostenlos kündigen. Das hat das Höchstgericht mehrfach festgehalten.

Wien. Im Rechtspanorama der Vorwoche schrieb Gastautor Philipp Lust, dass einseitige Änderungen von Telefonverträgen durch Betreiber unzulässig seien und §25 Telekommunikationsgesetz (TKG) einen anderen Inhalt habe als von der Regulierungsbehörde RTR unterstellt werde. Wer solches vehement vertritt und sich nicht scheut, auch „Amtshaftung“ in den Raum zu stellen, sollte vorab auch die einschlägige Judikatur gelesen, verstanden und sich mit ihr auseinandergesetzt haben. Dann wäre man der juristischen Wahrheit vermutlich nähergekommen.

Wie der lateinische Spruch „pacta sunt servanda“ schon nahelegt, gilt spätestens seit dem römischen Recht der Grundsatz, dass geschlossene Verträge auch einzuhalten sind – und zwar von allen vertragsschließenden Teilen. Das bedeutet aber nicht, dass es davon nicht Ausnahmen geben darf. § 25 TKG 2003 ist eine solche Ausnahmebestimmung: Abweichend vom allgemeinen Zivilrecht räumt sie nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung Betreibern von elektronischen Telekommunikationsnetzen und -diensten (z.B. Telefonie, Internet etc.) das Recht ein, bestehende Verträge einseitig zu ändern.

Zahlreiche Urteile des OGH

So besagen zahlreiche Urteile des Obersten Gerichtshofes, dass § 25 TKG 2003 Betreiber ex lege zu einer einseitigen Vertragsänderung berechtigt (siehe etwa 4 Ob 98/04x, 1Ob 123/09h, 7 Ob 84/12x; zur Vorgängerbestimmung des § 18 TKG 1997: 4 Ob 50/00g, 6 Ob 16/01y). In 1 Ob 123/09h statuiert der OGH: „Diese Bestimmungen berechtigen den Anbieter ex lege zu einer einseitigen Vertragsänderung, soweit es die Änderung von AGB und Entgeltbedingungen betrifft [...]. Als Ausgleich dafür erhält der Teilnehmer in Übereinstimmung mit Art 20 Abs 4 der Universaldienstrichtlinie (RL 2002/22/EG) ein kostenloses außerordentliches Kündigungsrecht, das spätestens bis zum Inkrafttreten der Änderungen auszuüben ist.“

Der OGH hat erst jüngst (8 Ob 72/13s, 28. 4. 2014) diese Rechtsansicht erneut bestätigt. Wie man angesichts dieser eindeutigen Rechtsprechung zu einer anderen Rechtsauffassung gelangen kann, ohne diese Judikate zu erwähnen und (kritisch) zu würdigen, ist der RTR und wohl auch anderen juristisch Talentierten schleierhaft.

Daran ändert auch die vom Autor der Vorwoche zitierte Entscheidung 4 Ob 115/13k nichts: Der OGH hielt lediglich fest, dass § 25 TKG 2003 dann nicht zur Anwendung gebracht werden darf, wenn der Betreiber im Kundenvertrag die Höhe des Grundentgeltes ausdrücklich für die gesamte Vertragslaufzeit garantiert hat („ein Leben lang“). In solchen Fällen verzichtet der Betreiber auf eine Entgeltänderung nach § 25 TKG 2003 und ist daher nicht (mehr) berechtigt, sich gegenüber dem konkreten Kunden darauf zu berufen.

Ebenso wenig können aus der Entscheidung 4Ob227/06w Schlussfolgerungen abgeleitet werden: Der OGH hat lediglich die Frage aufgeworfen, ob die bereits zu §18 TKG 1997 bejahte einseitige Vertragsänderung zu § 25 TKG 2003 aufrechterhalten werden könne. Bejaht hat der OGH diese Frage dann eindeutig – nämlich im oben dargestellten Sinn.


Dr. Wolfgang Feiel ist seit 2001 Leiter der Rechtsabteilung der RTR-GmbH. Er ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und lehrt an Fachhochschulen und Universitäten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2014)

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