Asylwerber im Tennengau: "Was sollen sie dort den ganzen Tag tun?"

(c) Clemens Fabry
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Im Salzburger Tennengau wurden über Nacht 40 Asylsuchende in ein abgelegenes Hotel einquartiert. Die Menschen fühlen sich überrumpelt.

Es ist ein Idyll am Rande des Tennengebirges: Bauern bringen an diesem strahlend schönen Herbsttag die letzte Mahd von den steilen Wiesen ein, entlang der rauschenden Lammer sind Wanderer und Mountainbiker unterwegs. In den Gastgärten auf dem Marktplatz sitzen Touristen und Einheimische in der Sonne. Doch in die Bilderbuchkulisse des österreichischen Fremdenverkehrs in Abtenau ist diese Woche die harte Realität der Weltpolitik eingebrochen. Über Nacht sind in das abgelegene Lammertal-Resort, eine kleine, in die Jahre gekommene Ferienhausanlage, Asylsuchende eingezogen.

40 junge Männer aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und dem Irak, umgeben von Wald und Wiesen. Pichl-Voglau heißt der kleine Ortsteil, in dem es eine Möbelfabrik, alte Bauern- und modernere Einfamilienhäuser, eine Kapelle, eine Volksschule und einen Kindergarten gibt. Zum nächsten Geschäft nach Abtenau sind es fünf Kilometer. „Was sollen diese Männer dort unten den ganzen Tag machen?“, fragen die Abtenauer besorgt. Viele fühlen sich überrumpelt. Dabei ist man froh, dass es nicht wie ursprünglich angekündigt 120 Asylsuchende geworden sind, die in der Tennengauer Marktgemeinde untergebracht werden.

„Ich bin von dieser Situation nicht begeistert“, sagt Sabine Fasl, Mutter von zwei Kindern. Ihr kleiner Sohn ist im Kindergarten in Voglau, ein paar Steinwürfe vom Asylquartier entfernt. „So eine Unterbringung gehört mit der Bevölkerung besser abgesprochen“, ärgert sich die junge Frau wie viele andere auch darüber, dass die Menschen im Ort vom Innenministerium vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. „In so einem kleinen Ort so viele Menschen, das ist nicht so einfach“, versteht auch eine andere Bewohnerin von Pichl-Voglau die Welt nicht mehr. Ihre Enkelkinder gehen hier zur Schule, auch sie macht sich Sorgen.


„Wir würden auch davonrennen.“ „Dieser Ortsteil mit 700 Einwohnern verträgt nicht so viele Asylsuchende“, meint Bürgermeister Johann Schnitzhofer (ÖVP). Er ist froh, dass sein Parteifreund Landeshauptmann Wilfried Haslauer bei der Innenministerin in Wien in letzter Minute eine Verringerung der unterzubringenden Menschen von 120 auf 40 erreichen konnte.

Zwei Tage nach ihrer Ankunft liegen die meisten Flüchtlinge gelangweilt in der Sonne, telefonieren oder spielen mit ihren Smartphones. Sie warten. Sie werden abgeschirmt. „Wir haben nichts zu sagen“, meint einer der Männer und wendet sich rasch wieder ab. Jene Frau, die die Flüchtlinge verpflegt, versteht die Aufregung nicht: „Das sind alles sehr nette, gebildete Menschen. Sie wollen nichts anderes als ein besseres Leben. Wenn uns die Bomben um den Schädel pfeifen, dann rennen wir auch davon.“

Fünf Kilometer weiter im Zentrum von Abtenau sind einige der Asylsuchenden paarweise beim Einkaufen und Bummeln. „40 Männer in so einem Ort, das ist schon heftig“, sagt eine Geschäftsfrau. Ihren Namen will sie wie so viele in dieser Gemeinde nicht in der Zeitung lesen. Sie ist nicht dagegen, dass in Abtenau Flüchtlinge untergebracht werden. Ganz im Gegenteil: „Jeder Ort soll ein paar Menschen aufnehmen, dann lässt sich das Problem sicher lösen. Das wäre fair für alle.“


Hilfsbereitschaft und Unverständnis. Dass Abtenau seinen Beitrag zur Unterbringung leistet, ist für die Gemeinde klar. Am Montagabend tagte der Gemeinderat. „Wir waren uns einig, dass wir auch in Zukunft Quartiere anbieten“, erzählt der Bürgermeister im Gespräch mit der „Presse“. „Aber geordnet und im Einvernehmen mit der Bevölkerung.“ Ein Anruf des Ministeriums Dienstagfrüh hat diese Bemühungen zunichtegemacht. „Ein Beamter hat mir mitgeteilt, dass über Nacht 120 Flüchtlinge zu uns kommen“, ist Schnitzhofer noch immer empört.

„Dieses Drüberfahren über die Bevölkerung lassen sich die Menschen nicht gefallen“, ärgert sich der Ortschef. Schnitzhofer war über die Unterbringung genauso überrascht wie die Salzburger Landespolitik. Niemand hatte sie vorab nach ihrer Meinung gefragt. Schnitzhofer ärgert auch, dass Abtenau hingestellt werde, als ob es bisher keine Flüchtlinge aufgenommen hätte. „Wir haben uns immer beteiligt“, stellt der seit April amtierende Ortschef klar. Seit 2004 wären rund 800 Asylsuchende untergebracht worden. Nur: „Das Überrumpeln geht einfach nicht.“

Die Hilfsbereitschaft der Menschen im Ort ist groß. Mittlerweile haben sich einige Frauen zusammengetan, um für die Neuankömmlinge das Nötigste zu organisieren: Kleidung, Fahrräder, Spiele. „Die Menschlichkeit überwiegt“, weiß Schnitzhofer. Deshalb werden die Flüchtlinge in Abtenau bleiben – vorerst, denn das Ferienresort soll nur bis Jahresende zur Verfügung stehen.


Keine Alternative in Sicht. Die Zwilling GmbH, die als Eigentümerin im Grundbuch steht, werde die Anlage verkaufen, heißt es im Ort. Alternative Quartiere für Flüchtlinge zu finden wird jedoch nicht einfach werden. Noch einmal will man sich nicht überrumpeln lassen.

Ringen um Unterkünfte

40 großteils aus Syrien stammende Flüchtlinge wurden diese Woche in Abtenau untergebracht. Seit 6. September waren diese im Turnsaal der Landespolizeidirektion Salzburg einquartiert. Zunächst sollten bis zu 120 Flüchtlinge im leer stehenden Lammertal-Resort untergebracht werden, die Zahl wurde auf 40 reduziert.

Das Land will kurzfristig noch 55 Plätze in anderen Gemeinden aufbringen. Um die aufgrund der wachsenden Flüchtlingszahl erhöhte Quote zu erfüllen, fehlten in Salzburg noch 39 Plätze. Salzburg werde seine Quote Anfang Oktober erreichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

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