Ausbildung im Krankenstand erlaubt

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Ein Mann im Burn-out besuchte ein Konzert der Red Hot Chili Peppers und machte eine neue Berufsausbildung. Er dürfe nicht entlassen werden, sagt der OGH.

Wien. Ein Arbeitnehmer darf im Krankenstand nichts unternehmen, was seiner Genesung schadet. Zerstreuung darf er aber suchen. Heißt das auch, dass man schon eine Ausbildung für einen neuen Job machen darf? Diese Frage galt es in einem aktuellen Fall zu klären.

Der Vorarlberger hatte sich in seiner Firma, der er zwei Jahrzehnte gedient hatte, schon länger nicht mehr wohlgefühlt. Schließlich nahmen die gesundheitlichen Probleme des Mannes zu. Er hatte mit Symptomen einer Erschöpfungsdepression zu kämpfen. Nach einer Besprechung mit der Geschäftsleitung, die für den Vertreter unbefriedigend verlief, ging er wegen Duodenitis (Entzündung der Schleimhaut des Zwölffingerdarms) in den Krankenstand. Der Hausarzt überwies den Patienten, der Symptome eines Burn-outs mit Depressionen zeigte, an einen Facharzt für Psychiatrie. Dieser stellte fest, dass der Mann unter einer langen Grunderkrankung gelitten hatte, die wegen der Belastungen im Job zu einer Erschöpfungsdepression führte.

Der Arbeitgeber kündigte den Mann im Krankenstand. In weiterer Folge sprach man sogar die Entlassung aus. Denn die Firma hatte einen Detektiv engagiert. Und dieser fand heraus, dass der Mann eine Ausbildung zum Physiotherapeuten in Friedrichshafen begonnen hatte. Zudem warf die Firma dem Mitarbeiter vor, im Krankenstand ein Konzert der Red Hot Chili Peppers besucht zu haben.

Mit Arzt besprochen

Der Mann kämpfte vor Gericht vor allem um seine Abfertigung (nach dem alten Modell). Insgesamt ging es um rund 50.000 Euro. Der Besuch des Konzerts und die Ausbildung habe keinen nachteiligen Effekt auf seine Genesung gehabt, betonte der Mann. Gerade bei Burn-out sei ein „Tapetenwechsel“ wichtig. Er habe auch mit seinem Arzt darüber gesprochen, dieser habe ihm die Ausbildung zum Physiotherapeuten sogar empfohlen, um die Depressionen zu lindern.

Das Landesgericht Feldkirch entschied für den Arbeitnehmer, das Oberlandesgericht Innsbruck bestätigte das Urteil: Ein Arbeitnehmer dürfe sich auf ärztliche Ratschläge verlassen. Und der Mann hatte mit dem Mediziner über die Ausbildung gesprochen.

Auch der OGH (9 Ob A 64/14y) gab dem Mann recht. Es sei der erste Fall, in dem der OGH festhält, dass eine ganztägige Ausbildung im Krankenstand zulässig ist, erklärt Anwalt Clemens Pichler, der den vor Gericht siegreichen Mann vertrat. Grundsätzlich hänge es aber vom Einzelfall und vom Grund für den Krankenstand ab, was ein Arbeitnehmer darf, sagt Pichler im Gespräch mit der „Presse“. (aich)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2014)

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