"Northmen": Wikinger wie aus Mittelerde

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"Northmen" orientiert sich an "Herr der Ringe" genauso wie an "Game of Thrones". Trotzdem: ein solider, sehenswerter B-Film.

Lang ist es nicht im Bild, das stattliche Wikingerschiff. Schon nach ein paar Filmminuten wird es unter einer gigantischen Welle begraben. Asbjörn (Tom Hopper) und eine Handvoll anderer Männer sind die einzigen Überlebenden. Die hartgesottenen Wikinger stranden an einer Steilküste, irgendwo in Britannien, tief im Feindesland. Nach der ersten Konfrontation mit den Skoten fällt ihnen eine junge Frau in die Hände, die sich als Tochter des Königs von Alba (Schottland) herausstellt. Dieser hetzt daraufhin sein „Wolfsrudel“ auf die Nordmänner, eine Gruppe gnadenloser Söldner.

„A Viking Saga“ verspricht der Untertitel. Ganz so sagenhaft fällt das vornehmlich mit deutschem und Schweizer Geld produzierte Spektakel dann doch nicht aus. Das Drehbuch der Österreicher Matthias Bauer und Bastian Zach orientiert sich etwas zu kniefällig an Hollywood-Blaupausen und scheitert daran, der Wikingerjagd mit dem Stop-and-go-Bewegungsmuster zwischen Ruhephasen und Fluchtmomenten Dynamik zu verleihen. Viel an dieser Hatz kommt einem bekannt vor, über allem hängt der Geruch von Emulation. „Game of Thrones“ ist ebenso klarer Referenzpunkt wie die „Herr der Ringe“-Filme: Deren Signatureinstellung, das Panorama der Heldengruppe, die sich im Gänsemarsch durch die wilde Landschaft von Mittelerde bewegt, übernimmt der B-Film-gestählte Schweizer Regisseur Claudio Fäh in „Northmen“ eins zu eins, und zwar mehrfach.

Schottland aus Südafrika

Dem Wikingerfan will der Schweizer Produzent Ralph S. Dietrich, Nachfahre des würdigen Schundkino-Ermöglichers Erwin C. Dietrich, ein rundes Eventpaket schnüren: Serienstars wie Ryan Kwanten („True Blood“), Tom Hopper („Black Sails“) und Ed Skrein („Game of Thrones“) schwingen die Schwerter zur donnernden Filmmusik. Johan Hegg, Sänger der schwedischen Band Amon Amarth, sorgt in einer Nebenrolle für feuchte Augen bei Metalheads.

Eigentlich überraschend, dass all das kommerzielle und kreative Kalkül zumindest teilweise aufgeht. Das liegt vor allem an der atemberaubenden südafrikanischen Landschaft, die Kameramann Lorenzo Senatore in dramatischen, nebelschwangeren Panoramen einfängt: Auf der Leinwand entsteht ein Schottland aus kargen Highlands, tosenden Wasserfällen, dichten Wäldern, Sümpfen und Steilklippen. Diese wunderschöne, unwirtliche Naturkulisse verleiht der knappen Geschichte einen epischen Charakter. Ein Vergleich mit dem italienischen Meisterregisseur Mario Bava drängt sich auf, auch wenn der solide Handwerker Fäh diesem in keiner Einstellung das Wasser reichen kann. Dessen „Gli Invasori“ ritt 1961 auf der Wikingerfilm-Erfolgswelle mit: Bava musste– wie Fäh – mit einem sehr knappen Budget auskommen und reagierte darauf mit der ihm eigenen visuellen Brillanz: Bunte Farbpaletten und exzentrische Bildkompositionen machten seinen Abenteuerschinken trotz wenig aufregender Story ziemlich unverwechselbar.

Ähnliches gilt jetzt für „Northmen“: Die Geschichte selbst mag wie die längere Folge einer mittelguten TV-Serie wirken, die Bilder und ja, auch die Inszenierung verlangen allerdings nach der großen Leinwand. So entsteht, was in der heutigen Kinowelt so selten ist: ein solider, sehenswerter B-Film.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2014)

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