Rücktrittsrecht für Konsumenten muss vor das Höchstgericht

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Ein Malerbetrieb ficht die neuen Verbraucherschutz-Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof an.

Wien. Es sind drakonische Mittel, mit denen bestimmte Unternehmen gezwungen werden sollen, Konsumenten über deren Rechte zu informieren: Professionisten, die auf Wunsch eines Kunden ins Haus kommen, um dort Arbeiten zu verrichten, müssen ihre Vertragspartner nachweislich auf das Recht hinweisen, binnen 14 Tagen vom Vertrag zurückzutreten. Machen sie es nicht oder können sie es nicht beweisen, droht ihnen nicht nur eine Geldstrafe. Es verlängert sich auch das Rücktrittsrecht um ein Jahr, und der Professionist muss ein erhaltenes Entgelt zurückzahlen, wenn der Kunde den Vertrag auflöst. Auch wenn der Konsument darauf besteht, dass Arbeiten sofort ausgeführt werden, darf der Gewerbetreibende sein Geld nur dann behalten, wenn er das Verlangen des Kunden und dessen Wissen um den Entfall des Rücktrittsrechts beweisen kann.

All das ergibt sich aus der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie, die Österreich am 13.Juni umgesetzt hat. Mit der Begründung, im Recht auf Eigentum und Gleichbehandlung verletzt zu sein, bringt jetzt ein Malerbetrieb aus Oberösterreich Teile des Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetzes vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Er wird von der Wirtschaftskammer Oberösterreich unterstützt. Besonders stört den Betrieb, eine GmbH, dass bei einem Rücktritt eine einmal angebrachte Malerei nicht mehr zerstörungsfrei von der Wand gelöst werden kann: „Gerade bei Dienstleistungsverträgen wie bei jenen der Antragstellerin (insbes. Malerarbeiten), wo eine Rückabwicklung von der Natur der Sache her unmöglich ist, liegt im Ergebnis eine entschädigungslose Enteignung im Sinne des gänzlichen Entzugs des Werklohnanspruchs vor“, heißt es im VfGH-Antrag.

Bis 13.Juni hatten Verbraucher in Österreich kein Rücktrittsrecht, wenn sie einen außerhalb von Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossenen Vertrag selbst „angebahnt“ haben: wenn sie also beispielsweise einen Professionisten zu sich bestellt haben, um ihn dann nach der Besichtigung an Ort und Stelle zu beauftragen. Ein Kunde, von dem die Initiative zum Vertrag ausgeht, wird ja nicht auf die gleiche Weise überrumpelt wie eine ahnungslose Person, bei der plötzlich ein Staubsaugervertreter an der Tür klingelt. In den Verhandlungen über die Richtlinie hat Österreich versucht, das Rücktrittsrecht auch europarechtlich auszuschließen, wenn die Initiative vom Konsumenten ausgegangen ist. Es konnte sich aber nicht durchsetzen.

Jetzt macht sich ein Dienstleister, der seinen Kunden beim Auswärtsgeschäft nicht aufklärt, erstens strafbar, und zweitens läuft er Gefahr, um sein Honorar umzufallen. Diese Sanktion des „bedingungslosen gänzlichen Entfalls des Werklohns“ wird im Antrag an den VfGH als „völlig unverhältnismäßiges“ und damit willkürliches und gleichheitswidriges Mittel, die Aufklärung des Konsumenten zu erreichen, angeprangert (lediglich dann, wenn es sich um dringende Reparaturen handelt, droht ohne Aufklärung nur eine Geldstrafe, kein Rücktritt).

Was dem Maler bevorsteht, ist kein Spaziergang. Erst muss er eine formale Hürde nehmen, die für solche Individualanträge vor dem Höchstgericht steht: Er muss belegen, dass er unmittelbar, ohne Hinzutreten eines behördlichen Akts, vom bekämpften Gesetz betroffen ist. Die Chancen dafür stehen aber nicht schlecht: Laut VfGH-Judikatur muss niemand eine Bestrafung auf sich nehmen, um über den Umweg einer Beschwerde dagegen zum Höchstgericht zu kommen. Zumindest einige der Pflichten, gegen die der Betrieb ankämpft, stehen unter der Sanktion von Verwaltungsstrafen.

Nimmt der Maler die formale Hürde, wird er vermutlich noch immer nicht so bald vom VfGH erfahren, ob das Gesetz grundrechtswidrig ist: Weil – ähnlich wie bei der Vorratsdatenspeicherung – zwangsläufig auch die Frage angesprochen ist, ob die dem heimischen Recht zugrunde liegende EU-Richtlinie grundrechtskonform ist, wird der VfGH nicht umhinkönnen, den Gerichtshof der EU einzuschalten. Dieser EuGH wiederum ist für seine zuweilen sibyllinischen Sprüche bekannt, die schwierige Abwägungsfragen am Ende doch den nationalen Gerichten überlassen.

„Bürokratiemonster hilft niemandem“

Hier in Österreich ist der Ärger von Gewerbetreibenden über den neuen Konsumentenschutz jedenfalls groß: ein „Bürokratiemonster, das weder den Konsumenten noch Unternehmen hilft“, sagt Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich. Nach den neuen Regeln müsse auch ein Elektriker, der komme, um eine LED-Leuchte auszuwechseln, und dabei feststelle, dass die Fassung kaputt ist, einen siebenseitigen Vertrag unterschreiben lassen, bevor er ans Werk geht. „Das ist jenseits jeder Realität“, sagt Kainz.

Mit derlei Formalitäten haben auch mobile Friseure zu kämpfen, die vor allem in ländlichen Gegenden oder bei älteren Personen ihre Arbeit oft in der Wohnung der Kunden machen. Kainz nennt das einen „gut gemeinten, aber überbordenden Formalismus, der in der Praxis nicht lebbar ist“. Er will sich für eine Änderung des EU-Rechts einsetzen.

BUCHTIPP

„Das neue Verbraucherrecht“. Unter diesem Titel haben Peter Kolba und Petra Leupold (beide: Verein für Konsumenteninformation) einen Kommentar zum Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz verfasst. Damit wurden am 13.Juni das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz erlassen und das Konsumentenschutzgesetz novelliert. Das Einwirken der zum Teil umstrittenen EU-Vorgaben stellt Juristen vor große Herausforderungen (Manz, 252 S., 56 €).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2014)

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