Wer einen Lkw schlecht belädt, haftet für Schäden

(c) Bloomberg (Carla Gottgens)
  • Drucken

Weil Schweinehälften an Bord hin- und herschwangen, wurde ein Kraftfahrer verletzt.

Wien. Selten wurde eine Redewendung derart ad absurdum geführt wie in einem Fall, der kürzlich den Obersten Gerichtshof beschäftigte. Der Lenker eines Sattelkraftfahrzeugs verunglückte in einer Kurve, weil er Schwein hatte. Genau genommen hatte er Schweinehälften geladen, die aber nicht ordnungsgemäß befestigt waren und daher den Unfall in einer Kurve auslösten.

Hätte der Mann mehr Schwein gehabt, wäre freilich nichts passiert: Weil aber die Lademenge relativ gering war, gerieten die Schweinehälften in einer Kurve auf der S6 ins Schwingen. Und das Unglück nahm seinen Lauf. Nun galt es zu klären, wer für die Unfallfolgen haftet: der Schlachthof, dessen Mitarbeiter die Ware eingeräumt haben, oder doch der Lenker, weil er sich hätte überzeugen müssen, dass in seinem Wagen alles in Ordnung ist, bevor er losfährt?

Der Fahrer wusste zunächst gar nicht, welche Ware und wie viel davon er abholen sollte. Er wusste nur, dass er auf Wunsch seines Dienstgebers zum Schlachthof fahren sollte. Das Fahrzeug aber war für diesen Transport nicht geeignet, insbesondere fehlten Lochstangen. Der Laderaum war mit einem Hängesystem ausgestattet. Um bei einer bloßen Teilbeladung (es waren insgesamt 15 Tonnen) ein Schwingen der Schweinehälften zu vermeiden, hätte man diese in drei Gruppen aufteilen müssen. Querstangen hätten angebracht werden müssen, was aber eben mangels Lochstangen nicht ging. Die Mitarbeiter des Schlachthofs luden die Schweinehälften in die erste, dritte und fünfte Bahn ein. Die Bahnen dazwischen blieben leer, wodurch die Schweinehälften erst recht frei schwingen konnten. Beim Unglück wurde der Lenker schwer verletzt. 85 Tage litt er wegen Frakturen, Zerrungen und Prellungen unter Schmerzen. Ein Teil der Unfallsfolgen ist bis heute nicht ausgeheilt. Der Mann fordert vom Betreiber des Schlachthofs, einer GmbH, 60.000 Euro Schmerzengeld (plus 1800 Euro sonstige Kosten) und die Feststellung, dass der Schlachthof auch für künftige Schäden haftet. Das Landesgericht Krems gab der Klage statt, setzte aber das Schmerzengeld niedriger an und befand zudem, das der Fahrer zur Hälfte am Unglück mitschuldig ist. Im Ergebnis bekam der Mann 20.900 Euro zugesprochen.

Wer hätte warnen müssen?

Das Landesgericht hielt fest, dass die Leute, die das Fahrzeug beladen hatten, hätten warnen müssen, dass das Fahrzeug nicht für diesen Transport geeignet ist. Sie seien nach dem Kraftfahrgesetz verantwortlich dafür, dass alles ordnungsgemäß verladen wird. Aber auch der Lenker hätte laut der Straßenverkehrsordnung die Pflicht gehabt, die Ladung im Fahrzeug so zu verwahren, dass der sichere Betrieb nicht beeinträchtigt ist. Zugunsten das Mannes sei aber zu berücksichtigen, dass dieser „zwar rechtlich, aber kaum faktisch“ die Möglichkeit gehabt habe, Fahrzeug und Ladung zu wählen. Andererseits sei wiederum dem Mann ein Fahrfehler anzulasten, der aber wegen der niedrigen Fahrgeschwindigkeit nicht besonders ins Gewicht falle.

Beide Streitparteien beriefen. Der Lenker gestand nun zwar ein, zu einem Drittel am Unfall schuld gewesen zu sein, von einer Verschuldensteilung halbe-halbe wollte er aber nichts wissen und forderte daher zu den in erster Instanz zugesprochenen 20.000 noch weitere 17.000 Euro ein. Er bekomme nun aber gar nichts, urteilte das Oberlandesgericht Wien, das das Klagebegehren des Mannes zur Gänze abwies. Dieser sei selbst auch der Normaddressat des Kraftfahrgesetzes gewesen. Er hätte die Fahrt mit dem für die Ware ungeeigneten Fahrzeug nicht antreten dürfen. Und er wäre so in der Lage gewesen, sich davor zu schützen, dass er durch die gefährliche Teilbeladung zu Schaden kommt.

Laderaum nicht gut geeignet

Der Oberste Gerichtshof widersprach: Die GmbH, der der Schlachthof gehört, habe sehr wohl nach dem Kraftfahrgesetz für Verladefehler einzustehen. Die Beladung hätte unterbleiben müssen, wenn das Fahrzeug dafür nicht geeignet ist. Aber auch der Lenker habe sicherzustellen, dass er keine Ware transportiert, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigt. Jeder Kraftfahrer müsse wissen, dass eine ungleichmäßige Verteilung schwerer Lasten die Lenkfähigkeit des Fahrzeugs beeinträchtige. Allerdings nur, wenn es dem Lenker zumutbar war, die Ladung zu prüfen, was im Einzelfall zu verneinen sein könne.

Hier habe der Fahrer zwar zunächst nicht gewusst, was er transportieren soll, es aber am Schlachthof schließlich doch noch rechtzeitig erfahren. Nicht ganz klar ist aber, ob der Fahrer wusste, dass die Lademenge nur gering ist (was ja erst die Gefahr auslöste). Auch wie weit der Fahrfehler des Mannes geht, sei noch nicht geklärt, meinte der OGH (2 Ob 13/14x). Er verwies deswegen die Causa an die erste Instanz zurück, um die offenen Fragen zu klären, nach der schlussendlich die Verschuldensteilung bemessen wird. Jedenfalls kann der verletzte Fahrer nun wieder auf Schmerzengeld hoffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.