Falsche Grammatik hilft bei Jobsuche

Dienstzeugnis  Photo: Michaela Bruckberger
Dienstzeugnis Photo: Michaela Bruckberger(c) (Michaela Bruckberger)
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Dienstzeugnis. Arbeitgeber darf nicht schreiben, dass er nur „voll“ zufrieden war.

WIEN. Das Fortkommen des Arbeitnehmers ist wichtiger als der Gebrauch einer korrekten Sprache – das lässt sich aus einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs herauslesen. Hintergrund ist ein Streit um eine Formulierung im Dienstzeugnis.

Der Oberste Gerichtshof (9 ObA 164/08) hielt fest, dass der (ehemalige) Arbeitgeber gegen das Erschwerungsverbot verstößt, wenn er im Dienstzeugnis angibt, dass die Arbeitnehmerin „alle ihr übertragenen Aufgaben zur vollen Zufriedenheit erledigt“ hat. Denn es sei üblich, in Dienstzeugnissen die Wendung „zur vollsten Zufriedenheit“ zu gebrauchen.

Nun ergibt eine Steigerung von „voll“ zwar keinen Sinn und verstößt gegen die sprachliche Logik. Dem steht laut OGH aber bei Dienstzeugnissen die gehandhabte Praxis entgegen, die in dieser Formulierung durchaus eine Relevanz sieht. Es sei zwar richtig, dass Komparativ- und Superlativformen bei jenen Adjektiven unüblich sind, die bereits einen höchsten oder geringsten Grad bezeichnen. Dennoch würden auch solche Adjektive gelegentlich gesteigert werden (z. B. das Adjektiv „voll“ in „zu meiner vollsten Zufriedenheit“), wenn der höchste oder geringste Grad noch verstärkt werden soll.

Gerade in der „Zeugnissprache“ spielen Superlative eine besonders große Rolle. Wird in einem Arbeitszeugnis der semantisch richtige bloße Positiv verwendet, so bedeutet dies eine subtile Kritik. Denn diese Formulierung ist bereits negativ belastet.

Allerdings: Im konkreten Fall bestand wegen des Wahrheitsgebots gar kein Anspruch auf ein derartiges „Gefälligkeitszeugnis“, da die Klägerin berechtigt entlassen worden war. Sie hatte somit nur Anspruch auf ein einfaches Dienstzeugnis. Dieses lautet in der Praxis: „N. N. hat von . . . bis . . . als . . . gearbeitet.“ Unter der Verwendungsbezeichnung (als . . .) ist als Faustregel die Beschäftigungsbezeichnung zu verwenden, die in einem Stelleninserat zur Nachbesetzung des Arbeitsplatzes des ausgeschiedenen Arbeitnehmers üblich ist.

Begriff „Arbeiter“ reicht nicht

Bloße Rechtsbegriffe (wie zum Beispiel als Arbeiter, als Hilfsarbeiter, als Angestellter) sollen nicht verwendet werden, weil dies nicht als Beschäftigung verstanden werden kann; es ist zumindest eine Beifügung „als Facharbeiter im Bereich von . . ., als Bauhilfsarbeiter, als technischer/kaufmännischer Angestellter im Bereich von . . .“ zu verwenden. Bei einem allfälligen innerbetrieblichen Aufstieg ist überdies der Zeitraum in niedriger und höherer Verwendung gesondert anzuführen (wegen der Einstufung des Arbeitnehmers im neuen Arbeitsverhältnis nach der Dauer von einschlägigen Vordienstzeiten).

Sofern das Arbeitsverhältnis nicht harmonisch endete und der Arbeitgeber die üblichen superlativischen Formulierungen nicht gebrauchen möchte, ist es also empfehlenswert, das Dienstzeugnis nach der zuvor beschriebenen Minimalformulierung abzufassen. Das Unterlassen von üblichen Lobeshymnen ist bei dem Verwendungszeugnis ohnehin ein nicht zu übersehender Hinweis darauf, dass das Arbeitsverhältnis disharmonisch geendet hat.

„Korrekt in der Zeit“: Verboten

Betrachtet man die übrige Judikatur zu Gefälligkeitszeugnissen, so lässt sich noch eine Reihe von Verboten für negative Anmerkungen herauslesen. So ist es etwa untersagt, auf „die korrekte Einhaltung von Dienstzeiten“ hinzuweisen. Dies wird laut Rechtsprechung als Hinweis auf eine mangelnde Bereitschaft zur Erbringung allfälliger Mehrarbeit gesehen (ASG Wien, 13 Cga 65/00y). Erst recht abwertend ist die Formulierung „er war stets um Pünktlichkeit bemüht“ – das bedeutet nämlich, dass jemand unpünktlich war. Steht im Dienstzeugnis, dass jemand „versucht hat, den Anforderungen zu entsprechen“, so heißt dies, dass er den Aufgaben nicht gewachsen war. Auch diese Passage darf sich daher nicht im Dienstzeugnis finden.

Dr. Franz Michael Adamovic war Hofrat des OGH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2009)

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