Eilverfahren gegen Mietschmarotzer?

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Im "Rechtspanorama" wurde der Fall eines Vermieters geschildert, der einen zahlenden Mieter per Selbsthilfe delogieren wollte. Auf korrekte Weise wird man aber selbst Mieter, die nicht zahlen wollen und verzögern, nur langsam los.

Wien. Im „Rechtspanorama“ vom 13.Oktober setzt sich Rechtsanwalt Bernhard Brehm unter dem Titel „Gericht lässt ,Wohnungsdiebstahl‘ straflos zu“ kritisch mit „skrupellosen Vermietern“ auseinander. Der Autor des Artikels stellt den Vermieter als den Gewinner dar, weil diesem nicht einmal eine strafgerichtliche Verurteilung drohe. Der rechtswidrig aus seiner Wohnung entfernte Mieter müsse hingegen „mühsam“ den Zivilrechtsweg beschreiten, um seine Wohnung zurückzubekommen. In der Praxis gibt es aber auch Fälle, die das Gegenteil beweisen und die Vermieter als Verlierer dastehen lassen.

Zinszahlungen eingestellt

So vermietete ein gutgläubiger Vermieter seine Wohnung einem Mieter, der auf den ersten Blick nichts Böses erahnen ließ und anständig wirkte. Doch der Mieter stellte bereits nach wenigen Monaten seine Zinszahlungen ein. Als ob das nicht genug wäre, fing er an, in seiner Wohnung den ganzen Tag hindurch laute Musik zu spielen, und brachte so die übrigen Bewohner des Hauses zur Verzweiflung. Die Nachbarn wurden mitten in der Nacht z.B. durch Solomon Burkes „Cry To Me“ geweckt, das in einer derartigen Lautstärke aus den Boxen dröhnte, dass die aus dem Schlaf Gerissenen problemlos den Text lernen und infolge der zahlreichen Wiederholungen später auch hätten mitsingen können. Nachdem mehrere Wochen vergingen und die musikalischen Exzesse trotz entsprechender Aufforderungen kein Ende nahmen, suchten die am Rand der Verzweiflung stehenden Bewohner des Hauses Hilfe bei der Polizei. Auch erhielt der Vermieter zahlreiche Droh- und Beschwerdebriefe. Die Hausparteien äußerten empört ihr Unverständnis, weshalb ein derart unträglicher Mieter nicht unverzüglich aus der Wohnung delogiert werde bzw. strafrechtlich verfolgt werden könne.

Letzteres scheitert zumeist daran, dass dem Mietschmarotzer nicht nachgewiesen werden kann, bereits von Beginn an den Vorsatz, den Mietzins nicht (mehr) zu bezahlen, gehabt zu haben.

Aber auch die an sich logische Delogierung ist nicht immer leicht zu erreichen, wie der gegenständliche Fall zeigt. Bereits vor eineinhalb Jahren wurden sowohl eine Mietzins- und Räumungsklage aufgrund der nicht bezahlten Mieten und eine gerichtliche Aufkündigung wegen des grob ungehörigen Verhaltens, das den Mitbewohnern das Zusammenwohnen verleidet, eingebracht.

Nach Einleitung der beiden Zivilverfahren hat der Mieter nahezu jede Möglichkeit, die ihm die Prozessordnung bzw. Geschäftsordnung der Gerichte bietet, genutzt, um die Verfahren zu verzögern, während für den Vermieter keine Möglichkeit zur Verfahrensbeschleunigung besteht. Stellt der Mieter zum Beispiel die Befangenheit des zuständigen Richters in den Raum, so hat hierüber zunächst der Vorsteher des Gerichts erster Instanz und anschließend das übergeordnete Landesgericht in zweiter Instanz zu entscheiden. Selbst wenn es offensichtlich ist, dass die Behauptung der Befangenheit nicht zutrifft, ist darüber abzusprechen. Durch diesen einfachen Trick hat der Mieter für ihn wertvolle Monate des kostenlosen Wohnens gewonnen, da er ja weiterhin keinen Mietzins bezahlt.

Versäumt der Mieter durch eine „überraschende“ Erkrankung einen Verhandlungstermin, so kann er ein sogenanntes Wiedereinsetzungsverfahren einleiten. Dies verschafft ihm weitere Wochen oder sogar Monate. Vor Erhebung eines Rechtsmittels kann der Mieter einen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers stellen, was ebenfalls zu einer weiteren Verzögerung führt. Das Kündigungsverfahren selbst kann über drei Instanzen geführt werden.

Monate bis zur Räumung

Hat der Vermieter sich am Ende ein rechtskräftiges Urteil erkämpft, so ist er noch immer nicht berechtigt, die Wohnung eigenmächtig zu räumen. Weigert sich der Mieter weiterhin, das Objekt zu verlassen, so hat der Vermieter die Räumungsexekution beim zuständigen Bezirksgericht einzuleiten. Bis die Räumung dann tatsächlich erfolgt, vergehen neuerlich Wochen oder Monate, während derer der Mieter nichts bezahlt, der Vermieter die Wohnung aber auch nicht anderweitig nutzen kann.

Es trifft zwar zu, dass im Fall des Obsiegens des Vermieters der Mieter diesem sowohl den offenen Mietzins als auch die Prozesskosten zu ersetzen hätte. In den meisten Fällen entpuppt sich jedoch der Mieter als vermögenslos, sodass der Vermieter in der Regel nicht nur auf seinem aus den nicht bezahlten Mietzinszahlungen entstandenen Schaden, sondern auch den Verfahrenskosten sitzen bleibt.In Anbetracht dieser verzweifelten Lage eines so betroffenen Vermieters könnte man durchaus Verständnis dafür aufbringen, wenn er zu Selbsthilfemaßnahmen greift und den Mietschmarotzer z.B. einfach aus der Wohnung sperrt, den Strom abschaltet lässt oder – auch schon vorgekommen – im Winter die Fenster ausbauen lässt. Allein der Umstand, dass ein Vermieter sein Eigentum beschädigt, um den Mieter vielleicht auf diese Art und Weise zu einem Auszug zu motivieren, zeigt die Verzweiflung des Vermieters. Ob man in diesem Fall tatsächlich von Skrupellosigkeit des Vermieters sprechen kann, ist stark zu bezweifeln.

Dennoch entscheiden sich die Vermieter zumeist gegen Selbsthilfeaktionen, da die Zivilprozessordnung sogar derartigen Mietschmarotzern ein Eilverfahren, das Besitzstörungsverfahren, bietet, um die Wohnverhältnisse rasch und unkompliziert wiederherzustellen. Dieses ungleiche Machtverhältnis zwischen Mieter und Vermieter bzw. der in derartigen Fällen viel zu weit gehende und völlig unangebrachte Mieterschutz sollten dem österreichischen Gesetzgeber zu denken geben; er sollte auch für Vermieter ein Eilverfahren gegen Mietschmarotzer bzw. nicht mehr zahlende Mieter schaffen.

Solang ein Vermieter jedoch unter Umständen mehrere Jahre warten muss, um einen nicht zahlenden Mieter endlich delogieren zu können, darf man sich nicht wundern, wenn einem wirtschaftlich unter Druck stehenden Vermieter die Geduld reißt und er zur Selbsthilfe greift. Durch die Schaffung eines Eilverfahrens auch zugunsten des Vermieters könnten daher auch angeprangerte Selbsthilfeaktionen unterbunden werden.


Mag. Georg Brandstetter und Mag. Zsuzsanna Parczer sind Rechtsanwälte in Wien (am Verfahren beteiligt).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2014)

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