Lebenslang nur noch bei Tötungsvorsatz?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Obwohl der Expertengruppe gute Ideen attestiert werden, wird die StGB-Reform kritisiert: Strafverteidiger bemängeln, dass lebenslang nach Raub möglich bleibe. Richter fürchten Probleme bei Gewerbsmäßigkeit.

Wien. „Ich sehe Probleme auf die Praxis zukommen“, warnt Friedrich Forsthuber, Präsident des Wiener Landesgerichts für Strafsachen. Und zwar mit den neuen Regeln für die Frage, wann ein Täter gewerbsmäßig handelt und deswegen strenger zu bestrafen ist. „Berufsmäßige Begehung“ soll dieser Tatbestand künftig heißen. Ob er gut gefasst ist, war einer der Diskussionspunkte beim letztwöchigen Rechtspanorama am Juridicum.

Die von der „Presse“ und der Jus-Fakultät an der Universität Wien veranstaltete Debatte stand ganz im Zeichen des Projekts „StGB 2015“. Eine Expertengruppe legte einen Entwurf für eine Novelle des Strafgesetzbuches zu dessen 40. Geburtstag vor. Auch wenn viele Ideen positiv gesehen werden, gab es an einigen Punkten Kritik. So soll eine berufsmäßige Begehung nur vorliegen, wenn der Täter sich ein „nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen“ verschaffen will. Und in den letzten zwölf Monaten vor der Tat schon zumindest zwei solche Taten begangen hat.

Das soll verhindern, dass Kleinkriminelle darunterfallen (denn momentan kann schon ein einziger Diebstahl als gewerbsmäßig gelten, wenn der Täter vorhatte, häufiger stehlen zu gehen). Das Erfordernis zweier Taten in den vergangenen zwölf Monaten hält Forsthuber aber für überzogen: Man denke nur an Fälle, in denen jemand erstmals, aber mit einem für kriminelle Touren präparierten Werkzeug oder Mantel erwischt wird. Oder: Es war jemand die vergangenen zwölf Monate in Haft und geht gleich wieder auf Diebestour. Auch der könnte dann nicht mehr wegen berufsmäßiger Begehung belangt werden.

Für Richard Soyer, Sprecher der Strafverteidiger, ist der Expertenentwurf „rechtspolitisch kleinteilig und nicht mutig“: So habe man es verabsäumt, Delikte ganz zu streichen: Strafen für Mehrfachehe, die Störung der Religionsausübung oder Werbung für Unzucht mit Tieren brauche man heute nicht mehr. Und wenn man schon meine, die lebenslange Freiheitsstrafe besser nicht ganz abzuschaffen, möge man sie nur noch für Delikte vorsehen, bei denen der Vorsatz auf Tötung gerichtet ist, meinte Soyer. Demgegenüber dürfte es bei Vergewaltigung oder schwerem Raub weiterhin lebenslang als mögliche Sanktion geben, wenn das Opfer fahrlässig zu Tode kommt: Die Arbeitsgruppe diskutierte zwar darüber, gab aber dann keine Empfehlung für eine Änderung ab.

Differenzierung bei Einbruch

Widerspruch zu Soyer kam von Susanne Reindl-Krauskopf, Strafrechtsprofessorin an der Uni Wien und Mitglied der StGB-Arbeitsgruppe. „Ich halte die lebenslange Freiheitsstrafe für unverzichtbar“, sagte sie – auch für Fälle, in denen vom Täter eine große Gefahr für das Leben ausgeht und ein Mensch stirbt (wie bei Raub oder Vergewaltigung). Den Reformentwurf sieht sie geglückt: Man habe neue Tatbestände vorgeschlagen, an die das StGB 1975 gar nicht denken konnte, etwa Cybermobbing.

Auch beim Einbruchsdiebstahl solle stärker differenziert werden, so Reindl-Krauskopf. Bisher war ein Strafmaß von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen. Künftig soll es laut Reformentwurf geringere Strafen (nur bis zu drei Jahren) geben, wenn man einbricht. Wer aber in eine Wohnstätte einbricht, soll wegen des höheren Unrechtsgehalts weiterhin mit fünf Jahren Strafdrohung rechnen müssen. Auch werden die Wertgrenzen, ab denen es jeweils höhere Strafen gibt, erhöht: Aus 3000 werden 5000, aus 50.000 werden 300.000 Euro.

Inwieweit der Expertenplan Realität wird, entscheidet die Politik. „Der ganz große Entwurf ist es nicht, aber ein sehr gutes Instrument, um die Diskussion weiterzuführen“, betonte Hannes Jarolim, Justizsprecher der SPÖ. Man müsse immer über alles offen diskutieren, auch beim Thema lebenslang. Ansonsten würden „kleinformatige Zeitungen dafür sorgen, dass die Debatte „rasch beendet ist“ (Jarolim hatte sich im Vorjahr für die generelle Abschaffung von lebenslanger Haft ausgesprochen, die SPÖ-Parteizentrale widersprach prompt).

Debatte um Landfriedensbruch

Man solle auch den Tatbestand des Landfriedensbruchs hinterfragen, so Jarolim. Der sei für Fälle gedacht gewesen, wie jenen, als die ungarische Jobbik in Roma-Vierteln Feuer gelegt habe. Landfriedensbruch sei hierzulande totes Recht gewesen, werde nun aber bei Demos oder Fußballspielen angewandt. Dafür sei er nicht gedacht, hier würde das Delikt der Rauferei ausreichen.

„Der Landfriedensbruch war nie totes Recht“, wandte Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, ein. Schon vor zwölf Jahren sei er bei Fußballspielen angewandt worden. Es gebe Erscheinungen wie Gewalt rund um das Stadion, die nicht zu tolerieren seien. Ob man da mit dem Tatbestand des Raufhandels auskommt, sei fraglich. Ausdrücklich verteidigte Pilnacek auch die von ihm geleitete Arbeitsgruppe: Sie habe nur 15 Arbeitssitzungen gehabt und dafür Gutes geleistet. Man werde jetzt natürlich nicht eine derart große Reform wie 1975, als das StGB in Kraft gesetzt wurde, beschließen. Damals gab es viele Jahre Vorlaufzeit. Und auch das Gesetz sei jetzt nicht so reformbedürftig, wie es damals war.

Auch die Diskussion, ob man den vonseiten der Wirtschaft als zu scharf kritisierten Untreuetatbestand präzisieren kann, dürfte auf politischer Ebene noch weitergeführt werden. Die Expertengruppe schlug keine Änderung vor und betonte, dass die Probleme hier weniger auf Gesetzesebene als vielmehr in der praktischen Anwendung der Bestimmung entstünden. Generell mahnte Reindl-Krauskopf dazu, nichts zu überstürzen: „2015 wird das StGB 40, da ist man relativ erwachsen. Also braucht man das Geschenk nicht am Tag des Geburtstags, aber man freut sich über Geschenke, die durchdacht sind.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)

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