Balletttänzer vom Heer befreit

'NUREJEW GALA 2013' IN DER WIENER STAATSOPER
'NUREJEW GALA 2013' IN DER WIENER STAATSOPERAPA/HELMUT FOHRINGER
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Der Grundwehrdienst würde über Jahre erworbene Eignung für den Tanz zerstören. Der VwGH lässt deren Erhalt als „besonders rücksichtswürdiges wirtschaftliches Interesse“ gelten.

Wien. Als wäre das Bundesheer mit seinen Geldnöten nicht schon genug geschlagen, muss es jetzt auch noch mit einem Wehrpflichtigen weniger auskommen: Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat entschieden, dass ein ausgebildeter Balletttänzer von der Wehrpflicht zu befreien ist. Denn müsste der junge Mann seinen Grundwehrdienst jetzt leisten, wären all seine Bemühungen um seine künstlerische Betätigung zunichte gemacht.

Das hätte nichts mit der aktuellen Situation des Bundesheers zu tun, sehr viel aber mit dem Beruf des Mannes. Zum Zeitpunkt der Stellung im Jahr 2011, als er 18 Jahre alt war, hatte er bereits elf entbehrungsreiche Jahre, unter anderem an der Ballettschule der Staatsoper, mit seiner Tanzausbildung verbracht – mehr als die Hälfte seines Lebens. Am selben Tag, an dem er für tauglich befunden wurde, suchte er um Befreiung vom Grundwehrdienst an. Gestützt auf ein Gutachten gab er an, das gezielte Training auf Dynamik, Elastizität und Sensibilität seiner Muskeln werde durch jedes andere Training unwiederbringlich zerstört.

„Als Systemerhalter geeignet“

Weil er mit seinem Antrag beim Militärkommando abblitzte, legte er mit seiner Berufung ans Verteidigungsministerium (seit heuer wäre dafür das Bundesverwaltungsgericht zuständig) weitere Gutachten vor. Selbst der Amtssachverständige räumte ein, dass ein gewöhnlicher Grundwehrdienst die Balance des Tänzers stören würde. Die Einberufung als Systemerhalter sei jedoch möglich, ohne dass der Mann seine Balletteignung verlieren würde. Das Ministerium hielt ihm vor, die gebotene Harmonisierung seiner Lebensplanung mit der Wehrpflicht unterlassen zu haben; „mangels besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen“ sei ihm die Befreiung zu versagen.

Beides, sowohl die Harmonisierung als auch die wirtschaftlichen Interessen, wird vom Verwaltungsgerichtshof ganz anders gesehen. Als der Beschwerdeführer seine Ballettausbildung im zarten Alter von sieben Jahren begonnen habe, sei von ihm eine Bedachtnahme auf einen späteren Grundwehrdienst nicht zu verlangen gewesen. Aber auch nachdem er für tauglich erklärt worden sei, habe man ihm – entgegen der Argumentation des Ministeriums – nicht abverlangen können, seinen Ausbildungsverlauf nach den Erfordernissen des Grundwehrdienstes auszurichten. Und: dass der Tänzer seine über lange Zeit erworbenen Fertigkeiten nur deshalb nicht mehr verwerten könnte, weil er sie als Grundwehrdiener dauerhaft verlieren würde, sei sehr wohl besonders rücksichtswürdig (2012/11/0187). Eine Zusage, er würde nur als Systemerhalter eingesetzt werden, wäre für den Mann rechtlich nicht durchsetzbar und außerdem viel zu vage.

Die Befreiung ist demnach Pflicht, ebenso wie der Mann nun alle drei Jahre belegen muss, dass die Gründe dafür nach wie vor vorliegen. Bis er 35 Jahre alt sein wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2014)

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