VfGH sichert Bleiberecht dank Prostitution

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Verfassungsgerichtshof hält dem ehemaligen Asylgerichtshof vor, die Grundrechte einer Nigerianerin missachtet zu haben: Dieser wies ihren Asylantrag ab und wies sie aus, obwohl sie jahrelang erlaubter Arbeit nachging.

Wien. Prostitution ist eine der wenigen Tätigkeiten, denen Asylwerber in Österreich nachgehen dürfen. Weil dem so ist, muss der Staat es respektieren, wenn eine geflüchtete Frau ihr nachgeht und sich solcherart bis zur Entscheidung über ihr rechtliches Schicksal beruflich integriert. Das wird durch eine aktuelle Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) deutlich, mit der die Ausweisung einer Nigerianerin untersagt wurde.

Die Frau hat acht Jahre lang auf eine endgültige Entscheidung über ihren Asylantrag gewartet und währenddessen erlaubtermaßen als Prostituierte gearbeitet. Der Asylgerichtshof (jetzt: Bundesverwaltungsgericht) sprach ihr nicht bloß das Recht auf internationalen Schutz ab, sondern verwies sie auch des Landes. Laut VfGH ist die Ausweisung verfassungswidrig: Sie verletzt die Frau im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens; bei richtiger Abwägung der Interessen der Frau mit jenen der Öffentlichkeit darf sie bleiben.

Des Mordes verdächtigt

Die Frau reiste am 17.Juli 2004 illegal nach Österreich ein und beantragte noch am selben Tag Asyl: Sie gab an, dass in Nigeria ihr Freund sich eines Nachts Medikamente aus der Apotheke geholt habe und nach deren Einnahme nicht wieder aufgewacht sei. Ihre Nachbarn und die Eltern ihres Freundes verdächtigten sie deshalb, diesen ermordet zu haben. Da zudem der Vater ihres Freundes ein einflussreicher Politiker gewesen sei, habe sie Angst gehabt, verfolgt zu werden, und sei allein geflüchtet.

Einen Monat später erhielt die Frau die polizeiliche Bewilligung, „freiwillig der Prostitution nachzugehen“ – neben Saisonnier oder Erntehelfer eine der wenigen Bereiche, in denen der Arbeitsmarkt Asylwerbern offen steht. Im Juni 2005 fiel die erste Entscheidung gegen die Schwarzafrikanerin: Ihre Angaben seien vage, allgemein und unglaubwürdig, fand das Bundesasylamt; und selbst wenn man ihr glauben würde, liege „keine unmittelbare oder mittelbare staatliche Verfolgung aus asylrelevanten Gründen“ (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) vor. Das Bundesasylamt wies deshalb den Asylantrag ab – und die Frau aus.

Eine Berufung an den Bundesasylsenat, eine ergänzende Einvernahme vor diesem und zwei mündliche Verhandlungen vor dem Asylgerichtshof brachten die Frau, die mittlerweile gut Deutsch spricht, keinen Deut weiter: Im September 2012, also acht Jahre nach dem Asylantrag, verneinte der Asylgerichtshof ein Recht auf Asyl. Und bejahte die Ausweisung.

Doch gegen diese schreitet jetzt der VfGH ein. Dabei erinnert das Höchstgericht daran, dass es Sache des Staats wäre zu verhindern, dass für ein im Grunde einfaches Verfahren acht Jahre verstreichen. Da aber genau das passiert sei, habe die Frau darauf hoffen dürfen, am Ende doch Asyl zu erhalten. „Noch schwerer“ wiegt für den VfGH jedoch die widersprüchliche Haltung des Asylgerichtshofs: Einerseits betone er, wie wichtig es bei der Frage der Ausweisung sei, ob ein Fremder einer legalen Beschäftigung nachgegangen sei. „Diese war angesichts der behördlichen Bewilligung der Prostitution nicht nur legal, sondern trug zudem auch zur (weitgehenden) Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin bei“, so der VfGH (U2377/2012). „Weitgehend“ deshalb, weil die Frau von der Caritas 290 Euro monatlich erhält. Dabei handelt es sich, wie die Caritas gegenüber der "Presse" betont, um die staatliche Grundversorgung, die für die öffentliche Hand von der Caritas ausgezahlt wird.

Nach dem VfGH-Erkenntnis berücksichtigte der Asylgerichtshof die berufliche Integration zu wenig bei der Abwägung der Interessen der Frau gegenüber jenen der Öffentlichkeit. Damit verletzte er sie in ihrem Recht auf Achtung des Privatlebens (Artikel 8 EMRK).

Aufenthaltsberechtigung plus?

Das Bundesverwaltungsgericht, das zu Jahresbeginn die Agenden des Asylgerichtshofs übernommen hat, muss nun über den Status der Frau entscheiden. Denkbar wäre etwa eine „Aufenthaltsberechtigung plus“, die unter anderem der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens dienen soll. Sie berechtigt auch zu unselbstständigen Tätigkeiten, sofern dafür keine inländischen oder sonstigen EWR-Bürger zur Verfügung stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2014)

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