Vorratsdaten aller wieder speichern? Kaum möglich

Datensicherung
Datensicherung (c) www.bilderbox.com (BilderBox.com)
  • Drucken

Auch wenn manch Politiker eine neue Vorratsdatenspeicherung will: Die bisherigen Urteile lassen wohl keinen Raum mehr für die Erfassung der Daten aller Bürger. Für einen verdächtigen Kreis hingegen wäre sie möglich.

Wien. Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz, Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben: Das waren die Hauptgründe, die im Vorjahr zur Aufhebung der Vorratsdatenspeicherung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) geführt haben. Nun, nach den Pariser Terroranschlägen, ertönt der Ruf der Politik nach der Wiedereinführung der Datenerfassung. So wollen Justizminister Wolfgang Brandstetter und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sie wieder verwirklicht sehen. Aber wäre es überhaupt möglich, erneut die Verbindungsdaten aller Bürger (wer wann mit wem über Telefon oder Internet kommuniziert hat) zu speichern?

Nein, meint Experte Christof Tschohl. Zumindest nicht, wenn man die Urteile des EU-Gerichtshofs (EuGH) und des VfGH „ernst nimmt“, sagt Tschohl zur „Presse“. Darin komme nämlich die Grundsatzkritik darüber zum Ausdruck, dass ohne Anlass und ohne Verdacht sensible Bürgerdaten gespeichert wurden.

Tschohl ist Jurist und Techniker. Er schrieb einst als Mitarbeiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung mit. Das Verkehrsministerium hatte den Auftrag dafür gegeben, um die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung schonend, aber doch umzusetzen. 2012 trat das Gesetz schließlich in Kraft, zwei Jahre später wurde es wieder aufgehoben. Und zwar weil Tschohl – inzwischen Leiter des digitalen Zentrums für Menschenrechte – das Gesetz selbst anfocht. Mit Erfolg: Der EuGH und der VfGH folgten seinen Argumenten.

Was wäre rechtlich noch möglich? Denkbar wäre das „Quick Freeze“, sagt Tschohl. Dabei werden die Vorratsdaten von Leuten gespeichert, die verdächtig sind. So könnte ein kleinerer Verdachtsmoment reichen, damit die Verbindungsdaten einer bestimmten Gruppe aufgezeichnet werden müssen. Erhärten sich die Verdachtsmomente, dann würde die Justiz den vollen Zugriff auf die Daten erhalten. Der große Unterschied zur alten Vorratsdatenspeicherung wäre also, dass nicht die Daten aller, sondern nur die eines begrenzten Kreises gespeichert werden.

Noch kein konkreter Politplan

Bei der alten Vorratsdatenspeicherung mussten Daten bereits bei einem Verdacht auf leichtere Delikte von den Netzanbietern an die Justiz herausgegeben werden. Terroristen wurden damit keine gefasst, aber Drogendealer oder Einbruchstäter überführt. Justizminister Brandstetter will die Vorratsdatenspeicherung nun nur noch für schwerste Straftaten. Aber auch das ändere nichts daran, dass man nicht anlasslos die Daten aller Bürger speichern darf, so Tschohl. Aus dem Justizministerium heißt es, man wolle sich nicht festlegen, wie eine Neuregelung aussehen soll. Man möchte ohnedies eine europaweite Regelung und warte erst einmal auf den neuen Vorschlag der EU.

Thomas Lohninger vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fürchtet, dass die Politik bei einer neuen EU-Verordnung erneut Grundrechte missachten könnte. Und damit wieder einen Gang zu Gericht nötig macht. Apropos Gericht: Während Österreich hier Vorreiterfunktion übernahm, ist die alte Vorratsdatenspeicherung in den meisten EU-Staaten (auch in Frankreich) noch in Kraft. In jedem Land müssten die Gesetze einzeln gekippt werden. Aber nicht in allen Staaten können Bürger – so wie in Österreich – Gesetze selbst vor dem Höchstgericht zu Fall bringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.