Schon einmal Grapschen ist zu viel

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Das deutsche Bundesarbeitsgericht schützt einen Mechaniker, der einer Putzfrau an die Brust gegriffen hat. Die Judikatur in Österreich ist strenger.

Wien. In Deutschland sorgt gerade eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts für Aufsehen. Es geht um einen Kfz-Mechaniker, der einer Mitarbeiterin einer externen Reinigungsfirma im Zuge eines Gesprächs mitteilte, dass sie „einen schönen Busen“ habe. Er beließ es nicht bei dieser Bemerkung, sondern griff der Frau auch an die Brust. Als sie ihm erklärte, dass sie dies nicht wünscht, ließ er von ihr ab und verließ den Sozialraum.

Der Mechaniker wurde wegen dieses Vorfalls unverzüglich entlassen. Er entschuldigte sich daraufhin schriftlich bei der belästigten Dame und zahlte ihr Schmerzengeld, um der Strafverfolgung zu entgehen. Die Entlassung bekämpfte er mit den Argumenten, dass es sich um einen einmaligen Ausrutscher durch ein „Blackout“ gehandelt habe und hierbei eine Abmahnung gereicht hätte. Das Erstgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht hingegen hob das Urteil auf und gab der Klage statt, sodass der Kfz-Mechaniker weiter zu beschäftigen war. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte letztinstanzlich diese Entscheidung.

Das ist meines Erachtens durchaus bedenklich und erweckt den Eindruck, dass einmaliges „Grapschen“ in Deutschland zulässig sei. Aber wie wäre dieser Sachverhalt wohl aus österreichischer Sicht zu beurteilen?

Verbale Belästigung genügt

Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs geht es beim Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht nur um den Schutz der körperlichen Integrität vor unerwünschten sexuellen Handlungen, sondern auch generell um Persönlichkeitsverletzungen. Daher sind auch Bemerkungen oder sonstige Handlungen, die geeignet sind, die soziale Wertschätzung der betroffenen Person durch Verletzung der Intimsphäre und der sexuellen Integrität im Betrieb herabzusetzen und deren Ehrgefühl grob zu verletzen, als sexuelle Belästigung zu bewerten. Nach wiederholter Judikatur des OGH überschreiten körperliche Kontakte gegen den Willen der betroffenen Person – also das sogenannte Begrapschen – im Allgemeinen die Toleranzgrenze.

Eine sexuelle Belästigung ist jedenfalls ein wichtiger Grund, der Arbeitgeber im Einzelfall zur (sofortigen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Im deutschen Fall folgte einer verbalen sexuellen Belästigung auch noch eine Tätlichkeit, sodass dies in Österreich meines Erachtens ausreichend gravierend wäre, um eine Entlassung zu rechtfertigen. Da ein Arbeitgeber bei Bekanntwerden eines solchen Verhaltens sofort reagieren und auch die Entlassung unverzüglich aussprechen muss, kann eine nachträglich erfolgte Entschuldigung und das Verhalten des Mitarbeiters nach der Entlassung keine Rolle spielen. Ich gehe daher davon aus, dass eine Entlassung wegen desselben Verhaltens vor österreichischen Gerichten „halten“ würde.


Stephan Nitzl ist Partner bei DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2015)

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