Amt muss Alleinerziehenden helfen

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Höchstgericht verpflichtet Finanzamt, Kinderfreibetrag einer Alleinerzieherin ohne Antrag zu gewähren. Anders erledigte Fälle können ein Jahr rückwirkend korrigiert werden.

Wien. Während die Koalition vorige Woche beschlossen hat, die Familienbeihilfe ab Mai auch ohne Antrag der Eltern auszahlen zu lassen, sorgt jetzt auch der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) für einen vereinfachten Zugang zur staatlichen Familienförderung: Ab sofort müssen Finanzämter bei Alleinerziehenden den Kinderfreibetrag berücksichtigen, auch wenn diese das gar nicht beantragt haben. Der Gerichtshof versucht damit ziemlich kreativ, eine seiner Ansicht nach missglückte Gesetzesnovelle auszubügeln.

Eine alleinerziehende Mutter zweier Kinder hatte es bei der Arbeitnehmerveranlagung für 2009 verabsäumt, den damals neuen Kinderfreibetrag zu beantragen. Er beträgt 220 Euro pro Kind und Jahr; wenn ihn beide Eltern geltend machen, sind es jeweils 132 Euro. Als Freibetrag mindert er die Bemessungsgrundlage; der Steuervorteil richtet sich daher nach dem Grenzsteuersatz (bis maximal 50 Prozent), dem der Steuerpflichtige unterliegt.

Nachdem bei der damaligen Steuerreform („Familienpaket“) immer betont worden sei, der Freibetrag sei von Amts wegen zu berücksichtigen, hatte selbst die Steuerberaterin der Mutter nach eigenen Angaben angenommen, das geschehe automatisch. Erst als sie den Einkommensteuerbescheid überprüfte, bemerkte sie, dass vom Freibetrag keine Spur war. Sie beantragte deshalb, dass das Finanzamt den Bescheid aufhebt. Das kann es – innerhalb eines Jahres – dann tun, wenn sich der Bescheid „als nicht richtig erweist“ (§299 Bundesabgabenordnung).

Im Einkommensteuergesetz steht allerdings ausdrücklich, dass der Freibetrag Steuerpflichtigen dann zusteht, „wenn er geltend gemacht wird“. Das Finanzamt beharrte deshalb auf seiner Einschätzung. Und zwar auch noch zu einem Zeitpunkt, als der unabhängige Finanzsenat den Bescheid auf Antrag der Mutter doch kippte. Das Finanzamt beschwerte sich dagegen beim VwGH mit folgender Begründung: Wenn Steuerpflichtige ihre Wahl treffen, welchen Freibetrag sie wollen, nachdem der Bescheid bereits erlassen wurde, werde dieser nicht unrichtig.

„Kinderfreibetrag steht zu“

Unrichtig ist freilich der Ausgangspunkt der Überlegungen des Finanzamts, meint nun in letzter Instanz der VwGH. Der Gerichtshof ruft dabei eine erste Fassung des Gesetzes in Erinnerung: Damals hieß es (in §106a EStG) schlicht, für ein Kind „steht ein Kinderfreibetrag“ zu. Noch bevor diese Fassung in Kraft trat, novellierte der Gesetzgeber sie aber schon wieder. Er bemühte sich, besser deutlich zu machen, unter welchen Umständen den Elternteilen welcher Freibetrag zusteht (und nannte diesen in den Erläuterungen fälschlich einen Absetzbetrag). Eine Antragstellung sei aber „entgegen der offenbar der Beschwerde (des Finanzamts, Anm.) zu Grunde liegenden Meinung zum Entstehen des Anspruches auf den Kinderfreibetrag nach der Konzeption des Gesetzes an sich nicht erforderlich“, sagt der VwGH (2011/13/0099).

Zumindest 132 Euro Freibetrag müssen Alleinerziehenden offenbar zuerkannt werden (steht dem anderen Elternteil ein Unterhaltsabsetzbetrag zu, gebühren auch ihm 132 Euro Freibetrag). Alleinerziehende, die den Kinderfreibetrag mit niemandem teilen wollen, müssen das hingegen dem Finanzamt mitteilen (was die Mutter im beschriebenen Fall tat).

Wahlmöglichkeit vorteilhaft

Bei Elternpaaren, die zusammenleben, muss es indessen bei der Geltendmachung bleiben; wer so wenig verdient, dass er gar keine Steuer zahlt, hat vom Freibetrag ja nichts und überlässt daher besser dem anderen Teil den 220-Euro-Freibetrag. In dieser Situation wäre es nachteilig, würde der Freibetrag bei der zuerst beantragten Arbeitnehmerveranlagung von Amts wegen zuerkannt werden, auch wenn er nichts brächte.

Zurück zu den Alleinerziehenden: Wer in den vergangenen zwölf Monaten einen Einkommensteuerbescheid ohne Freibetrag erhalten hat, kann diesen jetzt nach §299 BAO korrigieren lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2015)

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