Es keimt in allen Tassen

Kohlrabi
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Kohlrabi, Dicke Bohnen, Kopfsalat, wir bauen alles an, weil es uns mit dem Winter jetzt reicht. Die Saison ist ohnehin immer viel zu kurz, da wollen wir wenigstens die ersten Pflänzchen jetzt schon keimen sehen.

Der Nachbar und ich – wir haben die ersten Vorbereitungen für die Saison getroffen. Die Arbeitsteilung gestaltete sich folgendermaßen: Ich erwarb mehrere Dutzend Samenpäckchen, er machte sich noch am selben Tag erfreut darüber her und entnahm aus jedem seinen Anteil. Ich erwarte jetzt von ihm meinerseits in Bälde die ersten Kohlrabipflanzen für das Glashaus, auch mit den frühen Kopfsalaten könnte er langsam in die Gänge kommen, damit was in den Anzuchtschalen weitergeht. Meine Chilipflanzen sind immerhin schon daumenlang – stramme kleine Habaneros, Jalapeños, irgendwelche lila Chilenen und noch ein paar Sorten für die rechte Würze in Ölen, Salzen und Salsa.

Noch stehen die kleinen Kohlrüben drüben in einem Schälchen auf dem Fensterbrett und sind gerade einen Zentimeter hoch. Sie liegen trotzdem gut im Rennen, schließlich halten wir erst Ende Februar. Es handelt sich um eine weiße Sorte, nicht um die blaue. Ich bin skeptisch, ich weiß nicht mehr, welche die bessere ist. Insbesondere jetzt im Frühjahr. Kälteresistenz und so. Schließlich gibt es für jede Jahreszeit die rechten Varietäten. Solche, die Kälte bis minus drei Grad gut aushalten, und andere, die der Hitze des Sommers gewachsen sind. Möglicherweise sollte ich sicherheitshalber auch eine blaue Variante aussäen, die hatte die Großmutter immer, und die oft noch im Garten verkosteten lilablauen Kohlrabi waren himmlisch gut. Noch nie hat man sie in einem Supermarkt gesichtet, oder irre ich?

Samenpäckchen? Herrlich! Doch abgesehen davon. Diese Samenpäckchen – herrlich! Sie beinhalten alles, was man sich vorstellen kann, vom Einlegegürkchen und der Schlangengurke über einen Querschnitt der Tomatenzüchterkunst der vergangenen Jahrhunderte bis hin zu drei höchst unterschiedlichen Kapuzinerkressesorten. Groß gewachsene, kleine und besonders blühende. Ich will wissen, ob die hübschen cremefarbenen Blüten der zierlichen britischen Neuheit über genau dasselbe knackig-scharfe Aroma verfügen wie die üblichen orange-gelben der großen, altbekannten Kapuzinerkressesorte.

Auch an den Sonnenblumensamen im Regal war kein schnelles Vorbeikommen, weil ich Sonnenblumen liebe. Die kleinsten, die ich zu säen gedenke, wachsen gerade einmal einen halben Meter hoch, die höchsten dürften, so verheißt die Inschrift auf der Packung, an die drei Meter erreichen. Es wird eine Art Sonnenblumenwald geben, ich weiß nur noch nicht genau, wo ich ihn unterbringen werde. Da es Sonnenblumen in den Größen dazwischen auch in diversen Gelb-Rot-Schattierungen bis hin zum reinen Purpurrot gibt, kamen schnell noch ein paar weitere Varianten hinzu. Man kann da einfach nicht an sich halten, beim Sameneinkaufen – und wozu auch?

Glashaus unter Strom

Die Nachbarin ist derweilen skeptisch. Nicht, weil sie nicht auch gern Kohlrabi und Salat isst und Kapuzinerkresseblüten verkostet. Sie fürchtet vielmehr die nun bald bevorstehende Inbetriebnahme des Glashauses durch den handwerklich zwar begabten, doch in seinem Eifer oft schlampigen Nachbarn. Die Elektrifizierung seines gläsernen Tempels mittels quer durch den Garten gelegter Kabel erwies sich in den vergangenen Jahren als fragil, da feuchtigkeitsanfällig. Wo die schlecht isolierte Stelle liegt, weiß kein Mensch, und sie zu suchen würde empfindliche Grabungsarbeiten quer durch die Blumenbeete der Nachbarin voraussetzen. Krise!

Im Glashaus braucht ihr Gemahl den Strom, um die Anzuchtwärmeplatten in Betrieb zu nehmen. Gibt es einen Kurzschluss, erfrieren die Winzlinge über Nacht. Und im Haus bricht in solchen Fällen alles zusammen, weil man in einem modernen Haushalt nach einem Stromausfall weder die Uhrzeit kennt noch das Tor öffnen und auch nur unter erschwerten Bedingungen auf das Klo gehen kann. Früher ging einfach das Licht aus, aber früher gab es hier auch nur ein Mistbeet und kein Glashaus. Verrottende Pferdeäpfel, unter dicken Erdschichten vergraben, heizten ohne Kurzschlussrisiko. Die Nachbarin beruhigt die Nervosität, indem sie gebückter Haltung vor ihren Beeten steht und auf die noch nackte Erde starrt. Sie sucht nach ersten Lebenszeichen der im Herbst vergrabenen neuen Taglilien, von denen sie sich Sensationelles erwartet. Schließlich sind Taglilien schöne, süchtig machende Geschöpfe. Sie hat rund dreißig verschiedene Sorten erworben und träumt von Trichtern in Lila, Purpur, Gelb und allen Spielarten dazwischen.

Mancher Samen braucht Frost

Da fällt mir ein, Blumengarten! Ich muss noch die letzten vergessenen Kaltkeimer ausstreuen, Schlafmohnsamen zum Beispiel, sie brauchen Frost, um keimen zu können. Auch hier verschiedenste Sorten. Purpurrot gefüllt, blassrosa ungefüllt, lila gebüschelt. Es geht los. Endlich! War ja kaum zu erwarten.

Lexikon

Sorten. Sie sind der Schlüssel zum Gartenspaß. Allein an Kohlrabisorten stehen in unseren Breiten etwa 50 zur Auswahl. Weiß, blau, klein, groß, früh, spät. Man darf es sich aussuchen.

Glashaus. Wer ernsthaft gärtnert und die Saison verlängern will, braucht eines: Wärmeplatten für Sämlinge. Die kann man entweder selber bauen oder fixfertig kaufen. Sie brauchen wenig Strom und sind ein Segen für jeden Samengärtner.

Freiland. Für Gemüse ist es draußen jetzt natürlich zu früh! Nur Dicke Bohnen kann man bereits säen, wo der Boden nicht mehr gefroren ist. Erstaunlich kältetolerant sind auch Radieschen, deren Aussaat folgt frühestens Mitte März.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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