TTIP: Österreichs Bevölkerung erwartet Nachteile

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EU-PARLAMENTSPR�SIDENT IN WIEN: FAYMANN / SCHULZ(c) APA/BKA/ANDY WENZEL (ANDY WENZEL)
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Wenig Information und produzierte Skepsis belasten Stimmung zu US-Abkommen. Nur neun Prozent sind für das geplante Abkommen.

Wien. „Die Tatsache, dass fundierte Information fehlt, macht das zukünftige Freihandelsabkommen mit den USA zu einem politischen Spielball.“ Die Folge sei eine Debatte, die eher verunsichert, ist Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), überzeugt. Laut einer Umfrage im Auftrag der ÖGfE befürworten derzeit nur neun Prozent der Österreicherinnen und Österreicher das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP). 56 Prozent sind dezidiert dagegen.

Laut der Umfrage, die der „Presse“ vorab exklusiv zur Verfügung gestellt wurde, erwartet die Bevölkerung mit deutlicher Mehrheit in den wichtigsten Themenfeldern negative Auswirkungen. Besonders deutlich ist diese Skepsis beim Thema Umwelt (77% erwarten „negative Auswirkungen“) und beim Konsumentenschutz (62%) ausgeprägt. Aber selbst dort, wo Wirtschaftsexperten Vorteile vorausgesagt haben – bei der Entwicklung der heimischen Wirtschaft (53%) oder bei den Arbeitsplätzen (57%) –, rechnet die Mehrheit mit Nachteilen. Schmidt sieht hier einen Zusammenhang mit der unzureichenden Informationsarbeit. „Jene Befragten, die sich eher schlecht über TTIP informiert fühlen, sehen auch eher negative Auswirkungen für Österreich.“ Wie die Umfrageergebnisse belegen, steht jener Teil der Bevölkerung, der sich gut informiert fühlt, dem Abkommen auch positiver gegenüber.

(C) DiePresse

Obwohl das Freihandelsabkommen zu einem politischen Thema geworden ist, hat fast ein Drittel der Bevölkerung das Gefühl, dass es eigentlich die Vor- beziehungsweise Nachteile des Abkommens nicht beurteilen kann. Noch höher ist der Anteil bei der jungen Bevölkerung. Drei Viertel der Befragten unter 25 Jahren gaben an, sie könnten nicht beurteilen, ob das Abkommen mehr Vorteile oder Nachteile bringe. Nur rund ein Viertel (24%) der Befragten fühlte sich „eher gut“ informiert.

Die nicht vorhandene Informationsarbeit der Bundesregierung und die mangelnde Transparenz der Verhandlungen zwischen den USA und Vertretern der EU haben in Österreich den Boden für eine breite Skepsis bereitet. Ähnlich wie bei der Frage des Türkei-Beitritts gibt es auch beim Freihandelsabkommen mit den USA keine wesentliche politische Gruppe oder Interessenvertretung, die in der Öffentlichkeit die Vorteile eines gemeinsamen Handelsraums ausreichend breit erklärt oder zumindest zu einer differenzierten Debatte beiträgt. „Mehr Transparenz durch die EU-Kommission und eine stärkere faktenbasierende Debatte in Österreich sind unbedingt notwendig“, so Schmidt.

Chance für Standards

Ein wesentliches Element des Freihandelsabkommens ist bisher in der öffentlichen Debatte kaum wahrgenommen worden: die Frage der Vorbildwirkung von TTIP für künftige bilaterale und multilaterale Freihandelsabkommen. Wie Harald Fadinger, Volkswirtschaftler an der Universität Mannheim, in einem „Policy Brief“ für die Gesellschaft für Europapolitik analysiert, könnten „durch TTIP hohe Standards für Produktsicherheit, Schutz von intellektuellem Eigentum, Investitionsschutz und vielleicht sogar Arbeitnehmerrechte festgelegt werden“.

Kaum wahrgenommen wird außerdem, dass die Stimmung zum Freihandelsabkommen in anderen Ländern deutlich positiver ist als in Österreich. Laut einer Eurobarometer-Umfrage sind beispielsweise in Litauen 79Prozent der Bevölkerung für das Abkommen, in den Niederlanden 74Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2015)

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