Schadenersatz: Starker Wind ist keine höhere Gewalt

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Ein Mann, der beim Schieben des Fliegers in einen Hangar half, wurde von der Tür verletzt. Der Gebäudebesitzer muss zahlen, weil man mit einem 97 km/h-Sturm rechnen muss.

Wien. Höhere Gewalt oder doch menschliches Versagen? Die Frage, was hinter einem Unfall steckte, beschäftigte den Obersten Gerichtshof. Im Mittelpunkt des Geschehens: ein starker Wind und ein Unglück in einem Hangar.

Ein Mann war an einem Junitag bei einem Segelflug Gast des Vereins, den er später vor Gericht bringen sollte. Nach der Landung half der Mann dabei, das Flugzeug in den offenen Hangar zu schieben. Kein leichtes Unterfangen, blies doch der Wind an diesem Tag mit bis zu 97 km/h (was einen schweren Sturm bedeutet). Als der Mann gerade eines der drei Schiebetore schließen wollte, passierte das Unglück. Ein Torsegment löste sich aus der Führungsschiene und verletzte den Mann.

10.000 Euro Schmerzengeld verlangte das Opfer, der Verein wollte freilich nicht zahlen. Es sei kein Wartungsfehler, sondern bloß ein technischer vorgelegen, der nicht erkennbar gewesen sei. Überhaupt sei das Unglück auf höhere Gewalt durch das Unwetter zurückzuführen. Und außerdem könnte man noch geltend machen, dass der Verletzte auf die Aufforderung eines Vereinsmitglieds hin die Tür schließen wollte. Und in solchen Fällen würde das Dienstgeberhaftungsprivileg des §333 ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) schlagend werden, weil der Fluggast in den Betrieb eingegliedert war. §333 ASVG hält fest, dass der Arbeitgeber nicht haftet, wenn sein Mitarbeiter bei einem Arbeitsunfall verletzt wurde, sofern der Arbeitgeber ihn nicht gerade vorsätzlich verletzt hat.

Hier ging es freilich um die Frage, ob der Verein fahrlässig gehandelt und er die Türe nicht genügend gewartet hat. Das Landesgericht Wiener Neustadt sprach dem Verletzten Schadenersatz zu. Die Toranlage habe nicht dem Stand der Technik entsprochen, und auch der Beweis, dass diese regelmäßig von einem Experten kontrolliert wurde, sei nicht erbracht worden. Die Tür wurde nämlich nur „mittels optischer Prüfung“ untersucht – von den Vereinsmitgliedern selbst.

Strenge Haftung bei Gebäuden

Das Landesgericht sah hier die im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) explizit vorgesehene Haftung für Bauwerke als gegeben an. Demnach haftet der Besitzer eines Gebäudes grundsätzlich für Schäden, wenn sich ein Teil ablöst und jemanden verletzt. Außer dann, wenn der Gebäudebesitzer sich freibeweisen und belegen kann, dass er „alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe“ (§1319 ABGB). Es handelt sich also um eine Gefährdungshaftung: Wer ein Gebäude besitzt, muss für die daraus folgenden Gefahren einstehen.

Das Dienstgeberhaftungsprivileg des ASVG komme hingegen nicht zur Anwendung, befand das Landesgericht. Es sei nicht zu konstatieren, dass der Mann, der beim Hineinschieben des Fliegers half, schon in den Betrieb eingegliedert war.

Das Oberlandesgericht Wien bestätigte das Urteil. Von höherer Gewalt könne man nicht sprechen, denn eine Windgeschwindigkeit von 97 km/h sei weder „außergewöhnlich noch unerwartbar“. Und Schiebetüren seien derart kompliziert und schadensanfällig, dass man sie regelmäßig von Experten überprüfen lassen müsse.

Der Oberste Gerichtshof betonte, dass „gerade bei einem Hangar, der von vielen Menschen betreten wird, besonders hohe Anforderungen an die Sicherheit zu stellen sind“. Diese Anforderungen habe der Verein aber nicht erfüllt.

Blieb die Frage, ob das Dienstgeberhaftungsprivileg dem Verein nützt. Tatsächlich zeigen ältere Entscheidungen, dass man selbst dann als in den Betrieb eingegliedert angesehen werden kann, wenn man unaufgefordert und ohne vorherige Absprache und aus eigenem Entschluss in einem Betrieb mithilft. Sogar ohne dass es der Unternehmer überhaupt weiß, kann man eine betriebliche Tätigkeit ausüben, wenn die geleistete Arbeit nur dem mutmaßlichen Willen des Dienstgebers entspricht.

Nicht Teil des Betriebs gewesen

All diese Erwägungen, die der OGH (2 Ob 243/14w) noch einmal betonte, halfen dem Verein aber nicht. Denn egal, ob der Verletzte nun von einem Vereinsmitglied zum Schließen des Tores aufgefordert wurde oder nicht (dies wurde nicht geklärt): Eine betriebliche Tätigkeit sei darin so oder so nicht zu erblicken. Das Höchstgericht erklärte, dass es an der diesbezüglichen Einschätzung der Unterinstanz nichts zu bemängeln habe.

Der verletzte Fluggast erhält somit Schadenersatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2015)

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