Causa Alijew: Knalleffekt im Krieg der Staranwälte

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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"Presse"-Exklusiv: Stefan Prochaska, Anwalt des toten kasachischen Ex-Botschafters Alijew, tritt doch nicht als Kammerpräsident an. Die Schlammschlacht mit Kollegen Lansky ist nicht „präsidiabel“.

Wien. „Ich ziehe meine Kandidatur für die Wahl zum Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Wien (RAK) zurück. Ich trete auch mit sofortiger Wirkung von meiner Funktion als Vizepräsident der Kammer Wien zurück.“ Mit dieser Aussage gegenüber der „Presse“ überrascht am Donnerstag Rechtsanwalt Stefan Prochaska.

Der Schluss liegt nahe, dass seine Entscheidung eine Reaktion auf die Ereignisse der vergangenen, turbulenten Tage ist. Konkret: auf zwei Einstweilige Verfügungen (EV), die sein Berufskollege Gabriel Lansky kürzlich gegen ihn erwirkte und auf eine Pressekonferenz desselben, bei der dieser gegen Prochaska mit schweren Geschützen auffuhr.

Dabei dreht sich alles um die Causa Rachat Alijew. Prochaska war einer der Verteidiger des wegen Mordes angeklagten kasachischen Ex-Botschafters, der vor wenigen Wochen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt tot aufgefunden wurde. Lansky vertritt die Witwen der mutmaßlichen Mordopfer über den kasachischen Opferverein Tagdyr. Dieser Opferverein ist bekanntlich umstritten, gegen Lansky (für den die Unschuldsvermutung gilt) läuft ein Ermittlungsverfahren wegen nachrichtendienstlicher Tätigkeit für Kasachstan. Dem Anwalt werden unter anderem Einflussnahmen auf Behörden vorgeworfen. In diesem Zusammenhang ergingen die – nicht rechtskräftigen - EV des Handelsgerichts Wien. Darin heißt es unter anderem, Prochaska habe es zu unterlassen, die Verhängung von Untersuchungshaft gegen Lansky anzuregen. Ebenso wird ihm untersagt, Unterlagen zu verwenden, die ihm von einem ehemaligen Mitarbeiter Lanskys übermittelt worden sein sollen, oder Aussagen von (Ex-)Mitarbeitern aus Lanskys Kanzlei vor Gericht zu verwerten.

Prochaska wird gegen die EV Rekurs einbringen. Empört zeigt er sich über zwei Punkte, die im Verfahren von der Richterin nicht berücksichtigt wurden. Lansky sagte laut Verhandlungsprotokoll, er wisse „nur vom Hörensagen“, dass Prochaska die Unterlagen von einem seiner ehemaligen Mitarbeiter gekauft habe. Das habe der Richterin für ihre Entscheidung offenbar gereicht. Der besagte Mitarbeiter hatte jedoch vor der Anhörung eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, er habe die Schriftstücke nicht an Prochaska ausgefolgt. Diese berücksichtigte die Richterin allerdings nicht, mit dem Argument, sie sei zu spät eingelangt, obwohl diese nachweislich rechtzeitig eingelangt sei. Für Prochaska ein völlig unverständliches, ja rechtswidriges Vorgehen.

Doch was hat all das mit Prochaskas Kammerambitionen zu tun? Lansky brachte sie – auch gestern – wieder ins Spiel: Es könne nicht angehen, dass „ein österreichischer Rechtsanwalt, noch dazu ein hoher Kammerfunktionär, mit rechtswidrig erlangtem, dem absoluten Anwaltsgeheimnis unterliegendem Mandantenmaterial eine öffentliche Verleumdungskampagne gegen einen Kollegen fährt.“ Auch der Präsident des Juristenverbandes, Fritz Wennig und der emeritierte Universitätsprofessor Heinz Mayer – derzeit Of Counsel in Lanskys Kanzlei – erhoben schwere Vorwürfe. Mayer nannte das Verhalten Prochaskas das eines „Hooligan“ und sprach „von einem Angriff auf den Rechtsstaat, wenn das Anwaltsgeheimnis nicht mehr funktioniert“.

Prochaska zeigt sich nicht nur verärgert über die aus seiner Sicht unrichtigen Aussagen, vor allem den Vorwurf des Kammeramtsmissbrauchs, sondern auch über das Verhalten der RAK Wien: „Lansky hat niemals überhaupt nur den Versuch unternommen, darzulegen, worin der Missbrauch bestehen soll. Aber er ist auch nie von der Kammer dazu aufgefordert worden, das zu tun.“ Dass sich nie ein „relevanter Vertreter“ der Kammer zu Wort gemeldet habe, habe ihn nachdenklich gemacht.

Ihm sei immer wieder signalisiert worden, er solle sich als Vizepräsident „präsidiabel“ verhalten. „Präsident Auer habe ich deshalb vor Monaten zugesagt, mich in dieser Sache nicht öffentlich zu äußern. Das heißt aber nichts anderes, als dass ich mir massive Angriffe gefallen lassen muss, mich aber dagegen nicht zu Wehr setzen kann.“ Genau das sei mit seiner Arbeit als Rechtsanwalt aber unvereinbar. „Mein Hauptgeschäft sind komplexe Wirtschaftsstreitigkeiten und Wirtschaftsstrafsachen, mit denen ich immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit stehen werde.“ Es bedeute für ihn eine zu große Einschränkung, wenn er bei jeder Aussage überlegen müsste, was die Kammer davon halte. Sein Fazit: „Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass die Art und Weise wie ich meinen Beruf lebe mit der Funktion des Präsidenten der Kammer einfach nicht vereinbar ist.“ Lansky begrüßt Prochaskas Entscheidung: "Ich halte das für eine sehr weise Entscheidung, und zwar für den gesamten Anwaltsstand."

Aber das sei nicht der einzige Grund für seinen Ruckzug aus der Kammerpolitik: „Mir ist die Lust vergangen. Ich stehe für eine Reform der Kammer. Ich sehe, dass viele Kammermitglieder das auch wollen. Der Punkt ist nur, dass ich in den Gremien der Kammer nicht die nötige Bereitschaft zur Veränderung sehe. Ohne deren Solidarität habe ich aber nicht die Möglichkeit, mein Programm durchzusetzen.“

Unter anderem habe ihm die Causa Mathes vor Augen geführt, wie es um die Bereitschaft zur Transparenz und Offenheit steht. (Anm. der Anwalt, der sich im Oktober das Leben genommen hat, hinterließ ein finanzielles Fiasko. Es geht auch um über zwölf Mio. Euro an Klientengeldern): „Wir hätten enger mit dem Masseverwalter zusammenarbeiten sollen, um den Geschädigten zu helfen.“

Aber zurück zur Causa Alijew: Bekannt wurde inzwischen auch, dass Ermittlungen gegen eine Oberstaatsanwältin laufen. Sie arbeitete vor Jahren in Lanskys Kanzlei und soll in dieser Zeit Informationen beschafft haben, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen. Gegen zwei Beamte des Bundeskriminalamts wird deshalb ebenfalls ermittelt. Lansky nannte das prompt einen „Pseudoskandal“. Prochaska dagegen sagt: „Das ist ein klares Signal, dass jetzt endlich etwas passiert.“

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