Andrea Jelinek: "Zur Behörde zu gehen fällt leichter als zum Nachbarn"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Andrea Jelinek über ihre Erfahrungen als Chefin der neuen Datenschutzbehörde. Jüngstes Urteil gegen Dashcams findet sie richtig.

Wien. Wenn Andrea Jelinek, Leiterin der Datenschutzbehörde, ihre jetzige Arbeit mit ihrer früheren bei der Polizei vergleicht, kann sie eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit feststellen: „Es erscheint den Menschen sehr oft einfacher, sich an uns zu wenden, als mit dem Nachbarn zu sprechen“, sagt Jelinek. „Das ist auch bei der Polizei so.“

Jelinek hat die Leitung der Datenschutzbehörde übernommen, als diese Anfang 2014 aus der früheren Datenschutzkommission hervorgegangen ist. Die Behörde ist eine Anlaufstelle für Personen, die sich durch wen auch immer – Unternehmen, Nachbarn oder Behörden – in ihrem Recht auf Datenschutz verletzt sehen. „Das ist ein sehr weites Feld und beginnt mit der Befürchtung, die NSA (nationale Sicherheitsbehörde der USA, Anm.) könnte mich abhören, und endet damit, dass der Nachbar mich mit einer nicht gemeldeten Videokamera überwacht“, sagt Jelinek im Gespräch mit der „Presse“.

Während die Datenschutzbehörde mit Blick auf den US-Geheimdienst nur sagen kann, dass sie mangels einer offiziellen NSA-Niederlassung in Österreich nicht zuständig ist, sind Verfahren mit streitenden Nachbarn ganz üblich. Die Behörde versucht in einem Mediationsverfahren jenen Dialog zu vermitteln, den die Nachbarn untereinander nicht schaffen. „Wir versuchen zu erreichen, dass die Leute aufeinander zugehen.“ Wer sich damit nicht begnügen will, muss sich dann an die Zivilgerichte wenden, um etwaige Rechtsverletzungen abstellen zu lassen.

Was viele nicht wissen: Private dürfen ihr eigenes Grundstück oder ihre Eingangstür per Videokamera überwachen, und zwar ohne Anmeldung, sofern die Speicherdauer nur maximal 72 Stunden beträgt (und alles davor automatisch gelöscht wird). Das erlaubt die „Standard- und Musterverordnung“. Bestimmte Unternehmen wie Banken, Juweliere und Trafiken dürfen nach der Rechtsprechung der früheren Datenschutzkommission Kameras so einstellen, dass auch ein Bereich bis 50 Zentimeter vor der Auslage überwacht wird. Weil das bereits ein Teil des öffentlichen Raums ist, muss so eine Anlage aber bei der Datenschutzbehörde gemeldet werden. Jüngst hat die Behörde die Registrierung der Überwachungskamera eines Juweliers verweigert, weil der damit einen Meter des öffentlichen Raums hatte einfangen wollen.

Der öffentliche Raum ist tabu

„Die Überwachung des öffentlichen Raums ist, zumindest bis jetzt, den Sicherheitsbehörden vorbehalten“, sagt Jelinek. Sie stand lang in Diensten des Innenministeriums, unter anderem als Leiterin des Kommissariats Wien Landstraße, zuletzt als Chefin des fremdenpolizeilichen Büros. Jelinek hätte kein gutes Gefühl damit, dass jedermann den öffentlichen Raum überwachen könnte. Deshalb findet sie die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts richtig, mit der eine neuartige und – nach Meinung ihrer Erfinder – datenschutzfreundliche Dashcam verboten wurde. Dashcams werden im Auto am Armaturenbrett (Dashboard) angebracht und filmen das Verkehrsgeschehen für Beweiszwecke mit.

Die Neuentwicklung eines Wiener Unternehmers sollte 90 Sekunden Aufzeichnung nur dann – und noch dazu in niedriger Auflösung – lesbar freigeben, wenn es zu einem Zusammenstoß gekommen ist oder der Benützer einen SOS-Knopf betätigt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anwendung trotzdem als systematisches, fortlaufendes Filmen des öffentlichen Raums beurteilt und deshalb verboten (W214 2011104-1/9E). Jelinek meint, es wäre Sache des Gesetzgebers, Privaten die Überwachung des öffentlichen Raums zu ermöglichen, wenn dies denn erwünscht ist. Doch sie warnt: Was auf der einen Seite vielleicht für sinnvolle Zwecke genutzt wird – zum Beispiel zur Aufklärung eines Unfallherganges, wobei Jelinek allerdings den Mehrwert in Frage stellt –, kann auf der anderen Seite auch missbräuchlich verwendet werden.

Seit der EU-Gerichtshof im Vorjahr ein Recht statuiert hat, von Suchmaschinen unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Relevanz weggefallen, drohende berufliche Nachteile, kein Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben) vergessen zu werden, kommen Betroffene auch mit diesem Anliegen zur Datenschutzbehörde. Diese kann ein Kontroll- und Ombudsverfahren einleiten; Zwangsmittel hat sie keine. Aber: „Die Suchmaschinenbetreiber, mit denen wir in Österreich zu tun haben, sind kooperativ.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2015)

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