Ausstellung: Die Schallaburg ergibt sich den Wikingern

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Sie waren von 750 bis 1100 der Schrecken Europas: Nordmänner, die mit ihren Schiffen bis Neufundland oder auch bis Byzanz segelten. Und sonst? Eine große Schau in Niederösterreich räumt mittels Sozialgeschichte mit Mythen auf.

Wie einen Abenteuerspielplatz betritt man auf der Schallaburg in Niederösterreich die aktuelle Ausstellung: Umsäumt von Seeungeheuern und nordischen Graffiti auf der Brücke am Eingang lautet der Schlachtruf für mindestens zwei Stunden: „Wikinger!“ Geboten wird eine Mischung aus prägnant erklärten Schaukästen und multimedialen Elementen. Die einfachste davon: Eine mittelalterlich gekleidet Familie auf lebensgroßer Kulisse, die Gesichter sind ausgespart. Besucher können sich dahinter stellen, durch diese Löcher gucken und als Wikinger fotografieren lassen.

In vieler Hinsicht hat man bei der Dramaturgie dieser Schau auch an die Kinder unter den Besuchern gedacht: Filme, ein Quiz und haptische Erlebnisse sind inbegriffen. Sogar ein „Mythenkino“ hat man eingebaut. Wenn die Aufmerksamkeit ob der vielen Informationen in den 24 Räumen mit an die 500 Exponaten (darunter auch zahlreiche Nachbildungen) nachlässt, nach all den Fibeln, Waffen, Helmen, Kleidern, Modellen und Inschriften, kann man sich in einem Nebenraum an einem virtuellen Lagerfeuer niederlassen. Auf einem großen Screen prasselt und brennt es dann, alte Sagas tönen aus dem Lautsprecher. Entspannt taucht man in nordische Abenteuer und Götterwelten ein.

Freie Frauen Skandinaviens, Heldinnen

Zu sehen, lesen und hören ist eine Menge Sozialgeschichte, die das Familienleben, den Handel, die Religion, das Handwerk, Totenkulte sowie Architektur und Schrift erläutert – eine vorwiegend agrarische Gesellschaft in einem riesigen, dünn besiedelten Gebiet, in dem früh, etwa um 600, die Christianisierung begann. Gender-Forschung wird besonders berücksichtigt, es entsteht ein facettenreiches Bild „freier Frauen“, die in vieler Hinsicht emanzipiert waren, im Gegensatz zu anderen Gesellschaften damals. Man begegnet auch heldenhaften Kriegerinnen. Aber Wert wird nicht so sehr auf einzelne historische Ereignisse gelegt, sondern auf das Phänomen Wikinger im Kontext des Mittelalters an sich, etwa so: Schmuckstücke aus Metall, Glas und Stein liegen in einer Vitrine. Im Video daneben wird anschaulich gemacht, woher diese kommen. Quer durch Europa bis tief nach Asien sind Elemente mancher dieser Artefakte nachzuverfolgen.

Auf virtuellen Landkarten sieht man per Video, wie sich die Nordmänner von zirka 750 bis 1100 nach Christus über Europa ausgebreitet haben. Sie fielen zum Beispiel in England ein, dann brennt es auf dem Screen 793 im Kloster Lindisfarne, oder sie setzten sich etwa um 800 in Dublin fest. Blitzschnell kamen sie auch über Flüsse nach Russland, bis Konstantinopel – und noch viel weiter. Island, Grönland, Neufundland, nichts schien diesen Abenteurern unmöglich. Für die übrigen Europäer waren sie eine Gefahr, die mit jener der Ungarn zu vergleichen ist. Letztere griffen in Scharen zu Pferde überraschend an, die Wikinger in Booten. So schnell wie sie kamen, waren sie meist wieder weg.

Eine besonders schöne Installation bildet die schwungvollen Konturen eines Bootes nach: Nur die Nieten, welche die Planken zusammenhalten, hängen im Raum. Dieses „Geisterschiff“ zeigt, wie perfekt die Wikinger ihre Fahrzeuge bauten. Kein Nordmann ist für uns ohne sie denkbar, ohne kriegerische Langschiffe, bauchige Frachtschiffe, bewegliche Boote für Flüsse. Die Helme mit Hörnern aber, die jedes Kind aus der Zeichentrickserie „Wickie und die starken Männer“ kennt, sind Erfindung des 19. Jahrhunderts, sie tauchen erstmals in den Inszenierungen von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ auf.

Anführer der Garde in „Grikkland“

„Viking“ bezeichnet kein Volk, der Begriff stammt aus der Romantik, als man in nationalen Kategorien dachte. Für die einstigen Bewohner Dänemarks, Norwegens und Schwedens bedeutete das Wort große Fahrt – für Handel oder Raub, je nach Gelegenheit.

Manchmal blieben sie auch etwas länger, wie eine eingeritzte Schrift auf einem Stein in einem Wald bei Stockholm zeigt: „Die Runen ließ Ragnvaldr schnitzen. Er war in Griechenland Anführer der Garde.“ Dieser Krieger, der vor tausend Jahren lebte und bis nach „Grikkland“, kam, wie die Skandinavier Byzanz bezeichneten, ließ es sich offenbar einiges kosten, dass seine Karriere auf diese Weise kundgetan wurde, denn sein Runen-Schnitzer war ein Star: Thorgautr, aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Weniger Erfolgreiche bekamen zuweilen auch einen Nachruf: „Er ertrank in dem Meer von Holm. Sein Schiff versank; nur drei kamen davon“, heißt es auf einem Stein in Uppland, Schweden. Wikinger lebten gefährlich.

Bis 8. November ist die Sonderausstellung „Wikinger!“ auf der Schallaburg zu sehen: Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr, Samstag, Sonn- und, Feiertag 9 bis 18 Uhr. Die Schau ist eine Kooperation mit dem Swedish History Museum Stockholm, dem Museums-Partner Innsbruck und dem Lokschuppen Rosenheim. Rahmenprogramm: Feste, Literatur und Tänze, etc. (www.schallaburg.at). Der Katalog „Wikinger!“ (240 Seiten) ist um € 29 im Shop der Schallaburg und an der Kassa erhältlich sowie per Mail unter office@schallaburg bestellbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2015)

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