Demonstration: Kreuzzug als Protest gegen Kirche zulässig

(c) Clemens Fabry
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VfGH gibt Tierschützern recht, die am Karsamstag vor Gotteshäusern protestieren wollten.

Wien. Tier- und Todesmasken, Fleischerkleidung voller Blut oder drei Holzkreuze: Mit aufsehenerregenden Utensilien planten Tierschützer einen „Tierkreuzzug“ durch Linz. Dieser sollte auch vor Kirchen haltmachen – ein heikles Unterfangen, denn die Demonstration war für Karsamstag angesetzt. Am Verfassungsgerichtshof (VfGH) lag es zu klären, ob eine solche Demonstration zulässig ist.

Der Verein RespekTiere hatte die Veranstaltung bei der Landespolizeidirektion Oberösterreich unter dem Motto „Nein zu Fleisch/Ja zu Vegetarismus“ angemeldet. Die Demo-Route sah neben dem Halt vor Lokalen wie McDonald's und Nordsee oder Geschäften wie Kleiderbauer auch Zwischenstopps vor Linzer Kirchengebäuden vor. So war ein Halt vor dem Bischofshof, dem neuen Dom oder der Ursulinenkirche geplant.

Die Behörde meinte, dass die Kundgebung die öffentliche Sicherheit und das öffentliche Wohl gefährden würde. Man schlug den Tierschützern vor, auf die Holzkreuze zu verzichten und nicht vor Kirchen zu halten. Der Verein ging darauf nicht ein, meldete aber dann eine neue Veranstaltung an – bei der man auf Kreuze und einen Stopp vor Gotteshäusern verzichtete.

Dass die ursprüngliche Demonstration nicht genehmigt worden war, nahmen die Veranstalter jedoch zum Anlass, den Rechtsweg einzuschlagen. Vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich war man nicht erfolgreich. „Nicht nur nach katholischem Verständnis ist der Karsamstag der Grabesruhe und damit verbunden der inneren Sammlung gewidmet“, erklärte das Verwaltungsgericht. Gerade an diesem Tag würden „von den Kirchen Grabeswachen, Gebetsstunden angeboten und auch regelmäßig frequentiert werden“. Und bei der gewünschten Route der Tierschützer liege „die Assoziation mit dem Kreuzweg Jesu Christi auf der Hand“. Zumal man plante, Leute mit Tierköpfen blutverschmiert an Holzkreuze zu fesseln. Zudem erklärte der Obmann der Tierschützer auch, dass die Kundgebung auch als „Kritik an der Haltung der römisch-katholischen Kirche zum Schutz der Tiere“ zu sehen ist. Eine Gefährdung des religiösen Friedens drohe, weswegen die Demo zu Recht untersagt worden sei, entschied das Landesverwaltungsgericht.

Der VfGH aber verwies unter anderem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2006. Damals hatte Straßburg gerügt, dass der VfGH in einem Erkenntnis die Interessen von Friedhofsbesuchern zu Allerheiligen zu sehr und die von Demonstranten zu wenig berücksichtigt habe. Es ging um den Protest gegen die Kranzniederlegung der Kameradschaft IV, in der sich frühere Mitglieder der Waffen-SS befinden, vor einem Kriegerdenkmal.

Verstörung allein kein Grund

Umgemünzt auf den jetzigen Fall schlage die Interessenabwägung für die Demonstranten aus, meinte der VfGH. Denn es sei nicht zu erwarten gewesen, dass die Demonstranten Kirchenbesucher behindert hätten. Es ging allerdings schon darum, auf das Leid der Tiere hinzuweisen. Und „es mag auch zutreffen, dass dies durch den Einsatz von Symbolen in einer Weise erfolgen sollte, die Kirchenbesucher ,verstört‘“, befand der VfGH.

Die Verwendung des Kreuzes aber sei „bei Versammlungen als Mittel zu Kritik und Diskurs zulässig“, sagten die Höchstrichter. Das Landesverwaltungsgericht habe sein Nein zur Veranstaltung „bloß auf den Einsatz eines Kreuzes als Symbol in örtlicher Nähe von Kirchen“ und auf die mögliche „Verstörung“ von Kirchenbesuchern gestützt. Das reiche nicht, um Demos untersagen zu dürfen, erklärte der VfGH (E717/2014-16). Die Tierschützer seien im Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden. (aich)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2015)

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