Kärntner Insolvenz im Bereich des Möglichen

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Die Zahlungsunfähigkeit einer Gebietskörperschaft ist kein neues Phänomen. Ein Sonderinsolvenzrecht würde die Handhabung aber erleichtern.

Wien. Rund zehn Mrd. Euro Haftungen, circa 2,5Mrd. jährliche Einnahmen und etwa 3,1Mrd. Vermögen: Kärnten geht nach eigenen Angaben Anfang Juni das Geld aus, obwohl das Land aus der Haftung bisher nicht in Anspruch genommen wurde. Hintergrund der Finanznöte ist laut Reuters, dass die Ratingagentur Moody's dem Land wegen der enormen Haftungen eine schlechtere Bonitätsnote verpasst hat, weshalb Kärnten nun Schwierigkeiten hat, frisches Geld vom Kapitalmarkt zu bekommen. Doch dies ist erst der Anfang: Was passiert, sollte die Haftung schlagend werden? Stünde dann die öffentliche Verwaltung still, kämen Amtsgebäude, Straßen, Krankenhäuser unter den Hammer?

Klar ist nur, dass die Verfassung es verabsäumt hat, für den Fall vorzusorgen, dass ein Land in eine finanzielle Notlage gerät, und dass es kein „Länderinsolvenzrecht“ gibt. Mitschuld an dieser Misere ist der Kaiser, der 1895 „die Errichtung einer kärntnerischen Landes-Hypothekenanstalt unter Haftung des Landes allergnädigst“ genehmigt hat. Diese – inzwischen modifizierte – Ausfallbürgschaft Kärntens (u. a. zugunsten der ehemaligen Hypo-Alpe-Adria-Bank International AG, nun: Heta Asset Resolution AG) könnte Kärnten nun zum Verhängnis werden.

Ein neues Phänomen ist die Zahlungsunfähigkeit von Gebietskörperschaften freilich nicht: Wohl ältestes Beispiel ist die Umschuldung Kanadas 1883. In Österreich wurde 1933 über die Gemeinde Donawitz das Konkursverfahren eröffnet; 1934 schloss Pinkafeld einen Ausgleich. Die Gemeinde Schwaz zahlte erst 1982 die letzte Rate für einen Ausgleich von 1930. Vor nicht allzu langer Zeit geriet die Gemeinde Fohnsdorf in der Steiermark wegen Zahlungsschwierigkeiten in die Schlagzeilen. Aber ein Bundesland, das scheint etwas Neues zu sein.

Blickt man über die Grenzen, so ist die „Haushaltssperre“ des Landes Baden-Württemberg berichtenswert, die 1966 zu einer Einschränkung der polizeilichen Streifen und zu einem Stillstand der Rechtspflege geführt hat, weil mangels Briefmarken keine Zustellungen mehr stattfanden.

Zurück zu Kärnten: Die Insolvenzfähigkeit des Landes ist zu bejahen, dagegen kann auch die Bestandsgarantie der Bundesländer in der Verfassung nichts ändern; Kärnten würde ja im Rahmen einer Insolvenz nicht von der Landkarte verschwinden, sondern sich nur von bestimmten Vermögensgegenständen trennen müssen. In Analogie zur Rechtsprechung zum Umfang der Insolvenzmasse bei Gemeinden gilt auch hier, dass nur jene Vermögensgegenstände Kärntens in die Masse fallen, die nicht der Wahrung öffentlicher Interessen dienen. Die Kärntner Landeskrankenhäuser werden beispielsweise wohl nicht unter den Hammer kommen.

Straßen für Gläubiger wenig wert

Auf welche Vermögenswerte könnten die Gläubiger greifen? In Kärnten liegt das Geld – wie die „Kleine Zeitung“ schreibt – auf der Straße. Das Landesstraßennetz schlägt mit 2,43 Mrd. Euro zu Buche. Alles andere ist Beiwerk: die Gebäude der Hoheitsverwaltung (37,4Mio.), Maschinen (knapp 21Mio.), Fuhrpark (11,5 Mio.) und Einrichtungsgegenstände (12,6 Mio.). Mit den Kärntner Straßen werden die Gläubiger wenig anfangen.

Interessant wäre aber: Die Beteiligung des Landes an der Kelag soll rund 400 Mio. Euro wert sein; im Kärntner Zukunftsfonds sind etwa 500Mio. aus dem Verkauf der Hypo an die BayernLB geparkt. Das Geld im Zukunftsfonds wird für die Gläubiger aber unerreichbar bleiben, weil es in der Kärntner Landesverfassung „abgesichert“ ist. Hinsichtlich der Kelag gebietet ein Bundesverfassungsgesetz, dass bei Elektrizitätsunternehmen 51% im Eigentum der öffentlichen Hand stehen müssen. Die Kelag könnte also nur der Bund übernehmen, aber nicht Private.

Unklar ist auch, wer bestimmt, welche Vermögenswerte Kärntens in die Masse fallen. Bei den Gemeinden begründet die Exekutionsordnung eine Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde des Bezirks, in dem die Gemeinde liegt. Das wäre beim Land Kärnten der Magistrat der Stadt Klagenfurt als Bezirksverwaltungsbehörde – konsequent, aber praktisch etwas schwer vorzustellen. Der Landeshauptmann scheidet wohl aus praktischen Gründen aus. Dann käme nur der zuständige Bundesminister infrage, da es hier um den Vollzug des Zivilrechtswesens geht, der in die mittelbare Bundesverwaltung fällt. Oberste Instanz wäre in Exekutionsfragen wohl der Justizminister. Aber man stelle sich vor: Der Bund oder ein von ihm entsandter Staatskommissär würde ein Land beaufsichtigen (in Deutschland ist dies übrigens bei finanziellen Notlagen genauso vorgesehen) – politisch unvorstellbar. Ein Gericht, das über die (Landes-)Verwaltung wacht – verfassungsrechtlich nicht unproblematisch.

Was bleibt, ist nur die Hoffnung, dass der Bund für Kärnten einspringt. Laut Medienberichten ist ein groß angelegter Rückkauf von Heta-Anleihen eine wahrscheinliche Option. Die Frage ist nur, wer zahlt bzw. ob der Bund zahlt. Eine Bundesunterstützung ist im Rahmen der Beistandspflicht im Bundesstaat rechtlich gut argumentierbar und wird in Deutschland so gesehen, aber sicher ist im Zusammenhang mit einer Insolvenz Kärntens nichts. Mit einiger Sicherheit kann man bloß sagen, dass der Bund im Rahmen seiner Beistandspflicht Kärnten – etwa über die Bundesfinanzierungsagentur – wenigstens zu frischem Geld verhelfen muss, um eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Dann heißt es die Schulden abstottern; die Gemeinde Schwaz zahlte schließlich auch 52Jahre lang. Etwas Rechtssicherheit würde freilich ein Sonderinsolvenzrecht für Länder bringen. Dies liegt nicht zuletzt im Interesse der Attraktivität des Finanzplatzes Österreich, der schwer angeschlagen ist. Der Finanzminister ist aufgefordert zu handeln.

Priv.-Doz. Dr. Bernhard Müller ist Partner bei
Dorda Brugger Jordis. bernhard.mueller@dbj.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015)

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