Strafrecht neu: Sind wir noch Charlie?

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Meinungsfreiheit. Der Verhetzungsparagraf wird verschärft. Die Frage, wie sehr er die Meinungsäußerung einschränkt, ist strittig. Die Formulierungen lassen einigen Interpretationsspielraum.

Wien. „Gerade haben wir noch stolz ,Je suis Charlie!‘ gerufen, und schon wird die Strafbarkeit der angewandten Meinungsfreiheit angedacht“, sagt Georg Vetter, Anwalt und Justizsprecher des Teams Stronach. Seine Kritik richtet sich gegen die Verschärfung des Verhetzungstatbestands (§283 StGB), die Justizminister Wolfgang Brandstetter im Zuge der Strafrechtsnovelle plant. Karikaturen wie von „Charlie Hebdo“ könnten durch die Norm hierzulande verboten werden, so Vetter.

Die Novelle sieht neue Formulierungen und Strafen vor. Ziel ist es, Hasspostings und sonstige Hassaufrufe zurückzudrängen. War die Verhetzung bisher strafbar, wenn die Äußerung eine „breite Öffentlichkeit“ (rund 150 Personen) erreicht hat, soll sie nun schon sanktioniert werden, wenn sie „viele Menschen“ (rund 30Leute) erreicht. Neu ist auch, dass man nicht pauschal gegen Ausländer hetzen darf. Bisher stellte das Gesetz außer auf „Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung“ auch auf die nationale Herkunft ab; das setzte aber voraus, dass der Täter eine konkrete Nationalität nannte.

Die Verhetzung ist künftig auch dann erfüllt, wenn man „zu Hass aufstachelt“. Nicht wie bisher, wenn man „hetzt“. Bedeutet diese Umformulierung eine substanzielle Änderung? Nein, sagt Christian Pilnacek, Sektionschef für Strafrecht im Justizministerium, zur „Presse“. Der neue Begriff sei synonym und bloß besser verständlich, meint Pilnacek. Ausgedehnt werde die Strafbarkeit freilich durch andere Punkte (geringere Zuhörerzahl, mehr geschützte Gruppen). Zudem gibt es künftig strengere Sanktionen (drei statt zwei Jahren Haft), wenn man in einer Zeitung oder im Rundfunk Hetze betreibt, sodass die Botschaft besonders viele erreicht. Zudem drohen bis zu fünf Jahre Haft, wenn die Hetze dazu führt, dass tatsächlich Gewalt gegen eine geschützte Gruppe ausgeübt wird.

Bilder als Hetze: Druckverbot

Auch ist künftig bereits strafbar, wer Bilder anderer, die als Verhetzung gewertet werden, bloß abdruckt (bis zu einem Jahr Gefängnis). Eine Norm, die bei Karikaturen wie bei „Charlie Hebdo“ schlagend werden könnte? Laut Pilnacek ist durch die Gesetzeserläuterungen klargestellt, dass die Meinungsfreiheit gewahrt bleiben soll.

Walter Berka, Professor für öffentliches Recht in Salzburg, sieht in den neuen Formulierungen des Paragrafen grundsätzlich kein Problem. „Wo das kritische oder anstößige Wort zur Tat und zum Fighting Word wird, ist eine Grenze überschritten“, sagt er. Dann müsse der Staat handeln. Pilnacek betont ebenfalls, dass bei einer sogenannten Hate Speech die Meinungsfreiheit auch nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den Hintergrund trete. Berka aber prangert an, dass eine Verhetzung laut Gesetz nicht nur bei Gewaltaufrufen vorliege. Sondern bereits dann, wenn man eine Gruppe bloß in einer Weise beschimpfe, die geeignet sei, sie in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen. Eine solche Formulierung findet sich in ähnlicher Form schon jetzt im StGB, was aber nichts an der Problematik ändert.

„Ein reines Meinungsdelikt“

„Das ist tatsächlich ein reines ,Meinungsdelikt‘ und könnte darauf hinauslaufen, dass sich auch nur kritische oder polemische Auseinandersetzungen mit religiösen oder weltanschaulichen Gruppierungen in den Fängen des Strafrechts verfangen“, mahnt Berka. Zwar ist man auch hier nur strafbar, wenn man in der Absicht handelt, die Menschenwürde anderer zu verletzen. Aber der Begriff der Menschenwürde sei wenig prägnant. „Die Beibehaltung des Tatbestands der bloßen Beschimpfung von bestimmten Gruppen stellt ein Risiko für die Meinungsfreiheit dar, das schlagend werden könnte, wenn sich das gesellschaftliche Meinungsklima zuspitzt“, warnt der Professor.

Dass man schon mit dem Abdrucken von „Charlie Hebdo“-Karikaturen ins Kriminal rückt, glaubt Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer von der Uni Innsbruck aber nicht. Denn die Absicht, die Menschenwürde zu verletzten, „sollte bei Karikaturen gerade nicht der Fall sein“, betont Schwaighofer. Anwalt Vetter hingegen warnt: „Was sind denn die Karikaturen anderes als das Verächtlichmachen von Religionen?“, fragt er.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015)

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