Diversion: Rückzieher vom Rückzug

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Häusliche Gewalt. Alternative Reaktion auf Delikte soll wie bisher erhalten bleiben.

Wien. Unmittelbar nach dem Ende der Begutachtungsfrist zum Strafrechtsänderungsgesetz 2015 zeichnen sich bereits die ersten Änderungen der geplanten Neuregelungen ab. Christian Pilnacek, Chef der Strafrechtssektion im Justizministerium, kündigt im Gespräch mit der „Presse“ an, dass die Diversion – eine alternative Reaktion auf Straftaten in Gestalt von Bußgeld, Wiedergutmachung oder gemeinnütziger Arbeit – in Fällen häuslicher Gewalt doch nicht ausgeschlossen werden soll.

Der Entwurf sah dies vor, ohne es in den Erläuterungen zu begründen. Der Verein Neustart und andere Befürworter der Diversion warnten jedoch davor, dass diese sozial konstruktivere Alternative zur Strafe damit ausgerechnet in einem Bereich unmöglich werde, in dem sie sich besonders bewährt habe. Auch die Opferschutzorganisation Weißer Ring trat vorige Woche vehement für die Beibehaltung ein: „Der generelle Ausschluss der Diversion bei häuslicher und familiärer Gewalt stellt einen erheblichen Einschnitt opferrechtlicher Handlungsmöglichkeiten dar und ist insbesondere hinsichtlich der dadurch beschränkten Möglichkeit der Durchführung eines Tatausgleichs strikt abzulehnen.“ Dieser werde seit Jahrzehnten erfolgreich durchgeführt, zeige hohe Werte einer Opferzufriedenheit und niedrigste Rückfallraten und werde auch im Ausland als vorbildhaft gesehen.

Einzelne Opfer fühlen sich bei der Diversion aber unter Druck gesetzt und wollen die abschreckende Wirkung der Strafe nicht missen. Genau diesen Opfern wollte das Ministerium beim Thema häuslicher Gewalt offenbar entgegenkommen. Denn in anderen Bereichen strebt der Entwurf eine Ausweitung der Diversion an: So soll sie generell möglich werden, wenn eine maximal fünfjährige Freiheitsstrafe droht, auch wenn Schöffen oder Geschworene für den Fall zuständig sind. Pilnacek will nun klarstellen, dass die Diversion auch bei häuslicher Gewalt erhalten bleiben soll, soweit sie bisher möglich war. Begleitend sollen Opfer verstärkt auf ihren Anspruch auf Beistand hingewiesen werden. (kom)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015)

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