Hass-Postings: OGH erzwingt Auskunft

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Wenn Forenbetreiber Postings durch Computer prüfen lassen, ist das noch keine hinreichende journalistische Tätigkeit. Das Redaktionsgeheimnis schützt die Poster daher nicht.

Wien. Der Oberste Gerichtshof hat in einem kürzlich ergangenen Urteil (OGH 6 Ob 188/14m) über die Auskunftspflicht der Betreiber moderierter Onlineforen entschieden: Wer ein automatisiert moderiertes Onlineforum betreibt, muss auf Verlangen demjenigen, der durch ein Posting in seinen Rechten verletzt wurde, die Nutzerdaten des Verfassers des Postings bekannt geben, wenn der Verletzte die Daten zur Rechtsverfolgung benötigt.

„Größter Verbrecher“

Der Entscheidung lag die Veröffentlichung eines elektronischen Leserbriefs zugrunde, in dem ein österreichischer Politiker unter anderem als „einer der größten Verbrecher der zweiten Republik“ bezeichnet worden war. Diesen Leserbrief hatte ein unter einem Nickname auftretender Forennutzer für die Internetausgabe einer Tageszeitung verfasst. Im Anschluss an ein Interview mit dem betroffenen Politiker wurde in einem Online-Diskussionsforum der Leserbrief als Posting veröffentlicht.

Der Politiker ließ sich die Ehrenbeleidigung nicht gefallen und verlangte vom Forenbetreiber die Löschung des Beitrags und die Bekanntgabe der Nutzerdaten, um gegen den Nutzer gerichtlich vorgehen zu können. Die inkriminierte Veröffentlichung wurde vom Forenbetreiber zwar umgehend gelöscht, die Daten des Nutzers gab er jedoch nicht bekannt. Somit musste der Politiker die Herausgabe der Nutzerdaten einklagen.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, der Politiker habe nicht bescheinigen können, dass wegen des Postings ein rechtswidriger Sachverhalt gegeben sei. Das Berufungsgericht änderte das Urteil hingegen ab und verpflichtete den Betreiber zur Herausgabe der begehrten Nutzerdaten.

Das Verfahren hat ergeben, dass alle Postings für die Onlineforen des Betreibers vorab mit einem Computerprogramm geprüft werden, um rechtswidrige Veröffentlichungen zu vermeiden. Eine weitere Kontrolle erfolgt durch Journalisten, die gegebenenfalls Beiträge entfernen.

Für die Speicherung fremden Inhalts, wie eines Postings, ist ein Forenbetreiber – etwas vereinfacht dargestellt – nur dann verantwortlich, wenn er von der Rechtswidrigkeit des Inhalts weiß. Wird ihm ein rechtswidriger Inhalt bekannt, etwa durch eine Löschungsaufforderung eines Betroffenen, muss er jedoch umgehend tätig werden und das Posting entfernen.

Ein Forenbetreiber muss zudem die Daten eines Nutzers bekannt geben (soweit er sie kennt), wenn jemand glaubhaft macht, dass er durch eine Veröffentlichung im Forum in seinen Rechten verletzt wurde, deshalb ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Identitätsfeststellung des Täters hat und die begehrten Daten zur Rechtsverfolgung benötigt. Die Auskunftspflicht umfasst neben dem Namen und der Anschrift auch die E-Mail-Adresse des Nutzers.

Im konkreten Fall verweigerte der Forenbetreiber die Datenherausgabe mit dem Verweis auf den im Mediengesetz geregelten Schutz des Redaktionsgeheimnisses. Dabei handelt es sich um ein Berufsprivileg von Journalisten, die als Zeugen vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde die Beantwortung von Fragen darauf verweigern dürfen, wer einen Artikel verfasst oder das Material bzw. die Informationen dafür zur Verfügung gestellt hat.

Der Oberste Gerichtshof verwarf das Argument des Beklagten, die Veröffentlichung des Postings stehe im Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit und sei daher vom Redaktionsgeheimnis geschützt. Er kam zum Ergebnis, dass die automatisierte Kontrolle durch ein Computerprogramm vor der Freischaltung von Postings nicht für den erforderlichen Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit ausreiche. Deshalb sei die Verpflichtung zur Herausgabe der Nutzerdaten weder ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung noch eine Verletzung des Schutzes des Redaktionsgeheimnisses. Die Frage, ab welcher „Intensität“ der Auseinandersetzung mit einem Leserbrief eine hinreichende journalistische Tätigkeit gegeben sei, ließ der Gerichtshof offen. Die festgestellte manuelle Kontrolle der Postings durch Journalisten genügte jedenfalls nicht.

„Nummerntafel“ fürs Internet?

Diese Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit, weil Opfern öffentlicher Diffamierung der Weg offen bleibt, ihre Rechte durchzusetzen. Es könnte auch wieder die Diskussion um eine Klarnamen- oder Deklarationspflicht für die Verfasser von Postings aufkommen. Letztlich bleibt die Frage offen, ob der Gesetzgeber hier nachschärfen und etwa eine Registrierungspflicht für jeden einführen will, der sich im Internet äußern möchte. Eine solche „Nummerntafel fürs Internet“, bei der auf Knopfdruck sämtliche Online-Veröffentlichungen einer Person aufgelistet werden können, würde zumindest einen freuen: den Orwell'schen Großen Bruder.


Dr. Niki Haas ist Rechtsanwalt bei Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2015)

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