"Topanwalt" wollte in Zeitung: Klient verlor Job

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Ein Strafverteidiger ließ einen Journalisten Bilder aus einem Akt ablichten und posierte mit dem Mandanten für ein Foto. Der zu drei Monaten bedingt Verurteilte wurde trotz Augenbalken erkannt - und gefeuert.

Wien. Man kennt die Fotos von sogenannten Topanwälten, die an der Seite von Angeklagten mit ernster Miene aus den Gerichtsseiten von Boulevardzeitungen blicken. Dass dabei gelegentlich der Geltungsdrang des Verteidigers mehr zählt als die Interessen des Mandanten, ist ein unbestätigtes Gerücht. Ein starkes Indiz dafür liefert aber der Fall eines jungen Mannes, der wegen einer Rauschtat zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt wurde. Ohne mit dem Betroffenen darüber vorab gesprochen zu haben, ermöglichte der Anwalt einer Zeitung, mit Fotos in Print und online über den Prozess zu berichten. Der Täter wurde unter anderem von seinem Chef erkannt und sofort gefeuert. Nachdem er vom Medium bereits eine Entschädigung wegen der Verletzung seines Identitätsschutzes bekommen hat, will er nun auch den Anwalt auf Schadenersatz klagen.

Der Mann war alkoholisiert und stand unter Drogen, als er das Selbstbedienungsfoyer einer Bank in Wien aufsuchte. Aus Ärger über seinen Kontostand wütete er in der Filiale und richtete einen Schaden von 10.000 Euro an. Dass er dabei von Überwachungskameras gefilmt wurde und leicht identifiziert werden konnte, hatte er im Rausch wohl nicht bedacht. Jedenfalls wurde er wegen Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung zu drei Monaten bedingt verurteilt.

Am Tag der Verhandlung traf der Verteidiger des Mannes, Christian Werner, einen Mitarbeiter von „Österreich“ und erlaubte ihm, Fotos aus dem Handakt mit den Bildern aus der Videokamera zu machen. Es ließ sich später nicht feststellen, ob Werner tatsächlich– wie er sich zu erinnern glaubte – dazu sagte, dass der Täter „nur kopf- und namenlos“ abgebildet werden dürfe. Im Widerspruch dazu stand sein Verhalten vor der Verhandlung: Da forderte der Anwalt den auf der Anklagebank sitzenden Mandanten auf, kurz in die Kamera zu schauen, während er ihm demonstrativ zur Seite stand. Dabei stimmte der Angeklagte in keiner Weise zu, dass unter Preisgabe seiner Identität über seinen Fall berichtet würde. Auch das „eigenmächtige, lediglich seinen eigenen Interessen dienende Verhalten“ des Verteidigers sei dem Täter nicht im Sinn einer Zustimmung zurechenbar, schrieb das Oberlandesgericht Wien.

Ohne Einwilligung verbietet das Mediengesetz aber selbst eine wahrheitsgemäße identifizierende Berichterstattung, wenn dadurch schutzwürdige Interessen des Täters verletzt werden und die Öffentlichkeit kein überwiegendes Interesse hat, dessen Identität zu erfahren. Obwohl die Augen des damals 21-Jährigen mit schwarzen Balken verdeckt waren, wurde der Täter – auch anhand seines Vornamens und anderer Angaben zur Person – in der Print- und Online-Ausgabe von „Österreich“ erkannt. Von mehreren Kunden auf ihn angesprochen, teilte sein Chef dem jungen Tapezierer mit, er brauche nicht mehr zur Arbeit zu kommen.

Täter will weiteren Schadenersatz

Wegen der Verletzung des Identitätsschutzes erhielt der Mann von den beiden Medien eine Entschädigung von 3000 bzw. 2000 Euro. Von einem darüber hinausgehenden Schadenersatz etwa für ein paar Monate entgangenen Verdienst – mittlerweile arbeitet der Mann wieder zuverlässig – will sein Strafverteidiger nichts wissen.

Für Albrecht Haller, jenen Anwalt, der den Mann schon gegen „Österreich“ vertreten hat, steht fest, dass Werner für die rechtswidrige Veröffentlichung der Bilder mitverantwortlich ist. Durch einen dritten Anwalt lässt Werner aber Haller nochmals ausrichten, dass er ohnehin verlangt hätte, die Anonymität seines damaligen Mandanten zu wahren, und dass die bereits zugesprochene Entschädigung die Ansprüche des Tapezierers bereits angemessen abgelte.

Der junge Mann will seinen ehemaligen Verteidiger nun klagen. Werner will sich auf „Presse“-Anfrage zu dem Fall nicht äußern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2015)

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