Kinder: Unterhalt auch nach dem Auszug

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Verlässt der Nachwuchs die elterliche Wohnung, kann er Geld fordern. Eine Bestrafung des Kindes durch Unterhalts-Entzug ist gesetzlich nicht vorgesehen. Eine Reaktion.

WIEN. Sie haben im „Rechtspanorama“ vom 20. April unter dem Titel „Eltern haben wenig mitzureden“ einen Beitrag veröffentlicht, der in einer Detailaussage leider meinen Widerspruch erregt. So geben Sie zur Frage „Kann ein Kind, das einfach auszieht, dann die Eltern auf Zahlung des Unterhalts klagen?“ folgende Antwort: „Damit wird das Kind wohl nicht durchkommen: Schließlich wären die Eltern bereit, Naturalunterhalt zu leisten (also die Kosten für das Leben in der familiären Wohnung zu übernehmen). Wenn der Nachwuchs dieses Angebot ablehnt, muss er auf eigenen Beinen stehen.“ Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Abgesehen davon, dass das Kind ja auch im elterlichen Haushalt etwas essen und sich ankleiden müsste, die durch den Auszug verursachten Mehrkosten demnach nur in der (nunmehr zusätzlich notwendigen) Wohnversorgung liegen könnten, ist beim volljährigen Kind zu berücksichtigen, dass den Eltern kein Aufenthaltsbestimmungsrecht mehr zusteht; das heißt, dass das Kind aus der elterlichen Wohnung ausziehen kann und sich sein Naturalunterhaltsanspruch dadurch in einen Geldunterhaltsanspruch umwandelt. Die Entscheidung 4 Ob 199/33 des Obersten Gerichtshofs, wonach ausnahmsweise unter sehr berücksichtigungswerten Umständen selbst ein großjähriges, dem Haushalt nicht mehr angehöriges Kind nur einen Anspruch auf die ihm angebotene Naturalverpflegung am väterlichen Tisch haben soll, ist als überholt anzusehen.

Auch gegen den Willen der Eltern

Ist das Kind minderjährig, steht den Eltern zwar das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu; ein gegen die Anordnungen der Eltern verstoßendes Verhalten des Kindes könnte jedoch allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltsverwirkung gesehen werden. Und eine solche ist dem österreichischen Unterhaltsrecht fremd (Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 72). Allenfalls kann das Kind auf den notdürftigen Unterhalt beschränkt werden, dies jedoch nur dann, wenn es ein Verhalten setzt, das die Entziehung des Pflichtteils rechtfertigen würde: also bei einer vorsätzlich begangenen Straftat gegen den Unterhaltspflichtigen mit einer Strafdrohung von mehr als drei Jahren, bei einer beharrlich gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart oder wenn es die Eltern im Notstand hilflos gelassen hätte.

Diese Voraussetzungen sind wohl nicht gegeben. § 540 ABGB nennt als Erbunwürdigkeitsgrund zwar noch die gröbliche Vernachlässigung der sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ergebenden Pflichten. Allerdings gewährt § 146b ABGB den Eltern eines gegen ihre Aufenthaltsanordnungen verstoßenden minderjährigen Kindes an „Reaktionsmöglichkeiten“ lediglich die Rückholung des Kindes unter Wahrung dessen Wohles (vgl. Barth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 146b); würde daher eine Rückholung das Kindeswohl gefährden, ist die getrennte Wohnungsnahme zu akzeptieren. Eine Bestrafung des Kindes durch Unterhaltsentzug sieht auch §146b ABGB nicht vor.

Soweit einzelne Entscheidungen (6 Ob 652/90; 3 Ob 536/91; 7 Ob 577/94) – durchaus unter Betonung des Grundsatzes, eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs des Kindes infolge mangelnden Wohlverhaltens sei dem österreichischen Unterhaltsrecht (an sich) fremd – ausführen, eine Einschränkung des Unterhaltsanspruchs könne in Betracht kommen, wenn aus dem Verschulden des Kindes Mehrkosten entstehen bzw. das Kind die durch die Unterhaltsleistungen abzudeckenden Bedürfnisse erst schafft, so ging es dort tatsächlich immer um die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit, also um die Annahme fiktiver Selbsterhaltungsfähigkeit. Demgegenüber hat der OGH in der Entscheidung 2 Ob 196/02s durchaus zutreffend ausgesprochen, dass der (einseitige) Auszug des (minderjährigen) Kindes aus dem elterlichen Haushalt seinen Unterhaltsanspruch nicht vernichtet (ebenso Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3, 8).

Dr. Edwin Gitschthaler ist Hofrat des Obersten Gerichtshofs.

AUF EINEN BLICK

Wenn Kinder von zuhause ausziehen, erlischt dadurch die Unterhaltspflicht nicht. Es gibt im österreichischen Recht keine Unterhaltsverwirkung, selbst wenn der Nachwuchs gegen den Willen der Eltern handelt. Auch die Voraussetzungen für eine Beschränkung auf den notdürftigen Unterhalt scheinen nicht gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2009)

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