Experten kritisieren neues Erbrecht

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Pflichtteil. Hohe Verzugszinsen machen Entlastung für Unternehmenserben zunichte.

Wien. Vorige Woche hat die Koalition im Ministerrat eine umfangreiche Reform des Erbrechts fixiert. Doch das Vorhaben könnte eines seiner wichtigsten Ziele verfehlen. Vor allem Erben von Unternehmen sollten davor bewahrt werden, das Erbe zerschlagen zu müssen, um Pflichtteilsberechtigte auszuzahlen. Der Pflichtteil – die Hälfte dessen, was Angehörigen zustünde, wenn der Verstorbene kein Testament verfasst hätte und deshalb die gesetzliche Erbfolge eingetreten wäre – soll künftig fünf Jahre lang gestundet werden können. Dafür werden aber die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von vier Prozent fällig.

„Bei der derzeitigen Zinslage wäre die Stundung für jeden Erben eine reichlich unökonomische Entscheidung“, sagt Christian Rabl, Professor für Zivilrecht an der Uni Wien und mit seiner Kollegin Brigitta Zöchling-Jud Organisator einer großen Tagung zur Erbrechtsreform vorigen Freitag im Festsaal des OGH. Ein Pflichtteilsberechtigter, der einen Schuldner ohne Insolvenzrisiko habe, könne sich über eine Stundung nur freuen: Eine günstigere Veranlagung sei auf dem Markt derzeit nicht zu bekommen.

Verstorbener statt Erblasser

Die im Justizpalast versammelten Praktiker und Experten hielten auch manch anderes Detail der Reform für nicht ausreichend durchdacht. Wie schon bei der Frühjahrstagung der Österreichischen Juristenkommission wurde erneut Kritik an der Eile laut, mit der die Koalition das komplette Erbrecht umschreibt. Kurioses Detail am Rande: Die Wörter Erblasser und Nachlass werden eliminiert und durch Verstorbener/Verfügender bzw. Verlassenschaft ersetzt. Dabei ist im aktuellen deutschsprachigen EU-Recht sehr wohl von Erblasser und Nachlass die Rede.

Überraschend hat die Regierung jene zehnjährige Frist aus dem Entwurf gestrichen, die für die Berücksichtigung von Schenkungen zu Lebzeiten bei der Berechnung der Pflichtteilsbemessungsgrundlage gelten sollte. Die angestrebte Erhöhung der Rechtssicherheit bleibt damit aus, müssen doch weiterhin bei nahen Angehörigen alle Zuwendungen berücksichtigt werden, die der Verstorbene irgendwann getätigt hat. In der Regierungsvorlage geblieben ist hingegen die Abgeltung für Pflegeleistungen von Angehörigen. Die Reform soll 2017 in Kraft treten. (kom)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2015)

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